Vom Schwarzen Schwan zum Weißen Pony
Ganz egal, ob abstrakt oder gegenständlich: Die Frage nach den Tonnen stellt sich bei den Giganten der Skulpturenschau »Blickachsen 9« in Bad Homburg und Rhein/Main-anderswo wie von selbst. Die schwerste unter den 46 Arbeiten, die bis Oktober den Kurpark und den Schlosspark der Taunusgemeinde bevölkern, wiegt 22 Tonnen und ist aus schwarzem Granit: die zwei mal zwei mal drei Meter mächtige elliptische Form »Twist« von Masayuki Koorida.
Die glatte Oberfläche, die der in China arbeitende Japaner – was es alles gibt! – mit den Händen geschliffen hat, übt eine magische Anziehungskraft aus. Sie wolle berührt werden, meint man und tut ihr den Gefallen. Koorida ist ein vertrauter Gast hier. Die Lieblinge und Hingucker dieser Biennale der Bildhauerkunst werden freilich andere sein. Der zum Blühen gebrachte froschgrüne Minicooper »Miniatus Floridus« von Stefan Rohrer etwa, der mitten auf dem Schmuckplatz des Eingangs-Carrés des Parks den Grußaugust gibt. Vor zwei Jahren hat an dieser Stelle noch eine blaue Haubitze mit Geschossstellung auf das Kurhaus einiges Befremden ausgelöst. Auch Rohrer war schon auf der Blickachsen 8 mit einem knallgelben Sportwagen vertreten, den er nahe der Orangerie spektakulär um einen Baum gewickelt hat. Im Hof des Schlosses pfählt er in diesem Jahr einen blauen Motorroller der Ost-Marke »Schwalbe« an einer Laterne.
Sean Henry hat drei aus der Distanz wie echt wirkende Kupferfiguren aufgestellt, deren leicht übertriebene Größe von mehr als zwei Metern sich erst in der Konfrontation offenbart. Aus der Distanz wirken sein Italia-T-Shirt-Spaziergänger, die schwarzhaarige Joggerin im grauen Trainingsanzug und »The Wanderer« frappierend lebendig und zeitgenössisch. Gewiss keine von uns, sondern eher einem Science Fiction entsprungen, scheint die noch im Sitzen mehr als vier Meter große Egghead-Figur von Henk Visch: »Not God but I Can Help You«, versichert sie uns mit leuchtrot bemalten Augen.
Kenny Hunter dürfte mit seinem vier Meter hohen »Black Swan« aus Kunstharz am Weiher zu einem der Favoriten der Schau werden. In Old England sei der schwarze Schwan als Sprachbild für etwas Unmögliches erachtet worden, ehe mit der Entdeckung Australiens auch seine Existenz real wurde. Hunters zweite Arbeit ganz in Weiß stellt ein Mädchen auf einem Pony auf ein Podest. Ein Gegenentwurf zu all dem, was man sonst auf Sockeln sieht – und eine Hommage an Rodin.
Auf einem Podest findet sich auch der sechs Meter lange Knochen, den wir Laien vorlaut und kühn als »Oberschenkelhals« identifizierten, als eine böse Referenz an die Kurklientel des Ortes. Aber nein, es ist der überdimensionierte Oberarmknochen des Bildhauers Caspar Berger selbst, in Bronze gegossen. »Ergo Vivo/Self-portrait 25« nennt dieser seine Arbeit.
Magdalena Abakanowicz, Hans Arp, Arman, so fängt die hier nur kurz angerissene lange Reihe von Künstlern an, deren Arbeiten auf der Blickachsen 9 zu sehen sind. Die Schau umfasst nicht mehr nur den Campus der Uni Frankfurt, die Kunsthalle Darmstadt und den Skulpturenpark Eschborn, sondern erstmals auch The Square am Airport, das Kloster Eberbach und das Römerkastell am Feldberg.