Strandgut-Tipp: Wartburg Wiesbaden: »Kafka/Heimkehr«

Vermöbelt bis zur Decke

Es ist ein Abend, der schon glücklich macht, bevor noch das erste Wort gesprochen ist oder ein Schauspieler die Bühne betreten hat. Sie, die Bühne nämlich, ist die wahre Attraktion des knapp zweistündigen Themenabends »Kafka/Heimkehr« in der Wiesbadener Wartburg. Franziska Bornkamm hat sie gebaut, was wörtlich zu nehmen ist. Der doppelstöckige hohe Raum, den man über eine Seitentreppe betritt, wird von einer bis unter die Decke mit Stühlen, Sesseln, Sofas aufgestapelten Konstruktion dominiert. Um diese herum ein Tohuwabohu von Teppichen, Kommoden und Tische mit Tellern, auf denen manchmal noch was liegt. Wie eine Gestalt gewordene Windhose aus Möbeln sieht das fest verankerte Gebilde aus, das man sogar besteigen kann – wenn man ein tollkühner Schauspieler ist.
Der Besucher findet sich irgendwie dazugehörend ein, erspäht blinde Spiegel, funzelnde Lampen, ein angebissenes Brötchen und manches mehr. Wie auf einem Gemälde, wie in einem alten Film sieht das aus, nur die Spinnweben hat man vergessen. Und dann bereiten auch noch die  Schauspieler Stefan Graf, Janning Kahnert und Nils Strunk als dreifacher Franz K. und Rainer Kühn als Franz K.s Vater die Erzählungen »Die Heimkehr«, »Der Bau«, »Gemeinschaft«, »Elf Söhne« und »Brief an den Vater« szenisch zu einem surrealen Abend auf, für den Kostia Rapaport am Klavier die passenden kafkaesken Töne findet.  Unter der Regie von Jan Philipp Gloger. Ein Muss! Aber auch ein Geschenk, das man sich am besten selber macht. Und möglichst schnell.

Winnie Geipert (Foto: © Bettina Müller)
Termine: 20., 25. Dezember, jeweils 19.30 Uhr
www.staatstheater-wiesbaden.de

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