Fast Forward zum gelungenen Kind
Sie sind das krasse Gegenteil von beruflichen Durchstartern: Johann, der nach dem Scheitern als Theaterregisseur in einer Kopierbude jobbt, und Anne, die für Otto, das gemeinsame Kind, ihr Philosophiestudium abgebrochen hat. Eine solide materielle Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl ist das nicht. Aber eine prima Voraussetzung dafür, den eigenen Nachwuchs mit Erwartungen zu überfrachten. Armer Otto, Deine Eltern haben zu wenig, wissen zu viel (»Kindheit ist eine Erfindung der Romantik«) und lesen zumindest »Nido«. Dass das gelungene Kind ein optimistisches Umfeld braucht, ist schon von daher ihr Credo.
Natürlich floppt das tägliche Zimmertheater vom trauten Heim, und dem Mantra von der Happy Family hängt sich das Krachen ins Schloss fallender Türen wie ein Echo an. Dass Otto in den Schlaf flieht, wenn seine Eltern sich streiten, wird von diesen bald als probates Mittel erkannt, ihn ruhig zu stellen. Martin Heckmanns garstige Satire »Vater Mutter Geisterbahn« zeichnet eine trauriges Kinderleben im Schnelldurchlauf.
Die Wiesbadener Inszenierung von André Rößler hievt das Geschehen ins Artifizielle. Johann (Martin Müller) und Anne (Doreen Nixdorf) sehen mit Pink-Perücken wie Klone aus und reden auch so. Ihr Heim symbolisiert eine von der Decke im Bogen herabfließende weiße Plane, drapiert mit Schattenrissen von Möbeln, die man für Miniaturen von Ellsworth Kelly halten könnte, sich aber als ausgestanzt erweisen. Nur Otto, der meist als Zuschauer seiner Genese im Publikum sitzt, spricht in seinen kurz bemessenen Auftritten zwar sehr frühweise, aber normal.
Rößler lässt die Familienfarce in einer Tragödie enden, dem Zuschauer in seiner 60-Minuten-Version aber wenig Zeit, Beziehungen zu den stilisierten Rollen herzustellen. Das gibt Raum für bitterböse Lacher, schöne Bilder, rührende Momente und einen Hauch von Anmut durch die gute Doreen Nixdorf, aber auch ein Manko an Plausibilität.