Das Liebieghaus ist mit seiner Skulpturensammlung ein wahres Schatzkästlein innerhalb der Frankfurter Museumslandschaft am Main. Nun gibt es bis 3. Mai 2026 im Kontext mit der ständigen Ausstellung etwa 90 Tier-Skulpturen von August Gaul zu bestaunen als »Tiere sind auch nur Menschen«. August Gaul? 1869 in Großauheim bei Hanau geboren und 1921 in Berlin gestorben, wurde nach einigen Jahren an der Zeichenakademie in Hanau bei dem Bildhauer Reinhold Begas in Berlin als begabter Meisterschüler gefördert und bekannt. August Gaul folgt mit seinen ausdrucksvollen Skulpturen den überlieferten Ideen vom heiligen Tier, wie schon in Griechenland oder dem alten Ägypten: Tiere in menschlicher Gestalt bzw. umgekehrt. Wie es heißt, hatte Gaul eine Dauerkarte für den Berliner Zoo, den er häufig in den Morgenstunden besuchte, um von Tieren Skizzen anzufertigen und sie danach möglichst lebensnah in Form zu gestalten. Später schloss er sich der »Berliner Secession« um Max Liebermann und Ernst Ludwig Kirchner an, die – der Wiener Secession um Gustav Klimt ähnlich – sich von der »Kultur« von Herrscherporträts und historisierender Kunst abwandte. Dank des großen Berliner Mentoren, Verleger und Galeristen Paul Cassirer bekam August Gaul nicht nur Aufträge für den öffentlichen Raum (Adler-Skulpturen vor dem Berliner Schloss, Hirschbrunnen in Schöneberg etwa), sondern zunehmend auch von begüterten Privatleuten.
Die im Liebieghaus zusammengetragenen Objekte sind manchmal in unverblümter, oft ironischer Direktheit antiken Skulpturen gegenübergestellt. Neben der römischen Büste des Marc Aurel beispielsweise schaut Gauls Skulptur des Orang-Utans »Jumbo« dem Besucher direkt ins Auge und scheint die Frage zu stellen, wer dem Menschen näher sei. Geradezu grotesk, wie Gaul die bronzene Eule der Athena auf Kinn und Lippen derselben verkrallt. Oder der reisende Götterbote Hermes, sonst stets an den Füßen beflügelt daherkommend, ist bei August Gaul ein eher übermüdeter, abgemagerter Paketbote.
Auch viel Kleinformatiges versteckt sich zwischen bedeutenden Skulpturen der Antike; manchmal muss man schon in den teils abgedunkelten Räumen danach suchen. Junge Entlein, sich kratzend – trompetender Elefant – Pinguine – ein trauriger, zotteliger Orang-Utan schlappt vor Charles Darwins Schrift von Menschen und Tieren, auf die sich durchaus auch die Werke des August Gaul beziehen ließen: Menschen und Tiere haben gemeinsame Vorfahren, heißt es dort. Das beweisen auch die überaus präzise gestalteten (meist Bronze-)Skulpturen, vor denen man immer wieder staunend verharrt.
»Was Gaul uns zu sagen hatte, legt er in seine Tiere«, so Max Liebermann über seinen Kollegen.
Eine überaus facettenreiche, bemerkenswerte, ja denkwürdige Ausstellung, zusammengetragen aus der Privatsammlung Carlo Giersch und Leihgaben aus verschiedenen deutschen Städten. Und die die Beziehung zwischen Mensch und Tier immer wieder hinterfragt. August Gaul, ein großer Unbekannter.