Das Senckenberg Naturmuseum stellt Spinnen und Kunst um Spinnen aus

Wo David Bowie das Licht scheut

An einem Gespräch über Phobien führt hier kein Weg vorbei. Vor denen schützen auch die fest verschlossenen Vitrinen nicht, in welchen das Senckenberg Naturmuseum noch bis zum Ende des Jahres zirka 40 exotische Vogelspinnen aus Südamerika, Afrika und Asien nebst Skorpionen und Tausendfüßlern präsentiert. Und dass man die achtbeinigen Krabbeltiere oft mühsam erspähen muss und manchmal vergeblich sucht, weil sie sich tagsüber bevorzugt im Pflanzengrün ihrer Terrarien unter Blättern und Hölzern verbergen, das verstärkt eher noch das innere Grausen: Was, wenn das Tier gar nicht mehr drin ist im Kasten, sondern einfach ausgebüxt sein sollte?
Das Senckenberg Naturmuseum präsentiert die von dem Projekt »Araneus« veranstaltete Wanderausstellung »Spinnen« nach dem großartigen Zuspruch vor vier Jahren nun schon zum zweiten Mal und hat die Schau noch um zwei zusätzliche Attraktionen ergänzt: bestechende Nahsichten durch die Makroaufnahmen des in Singapur beheimateten Fotografen Nicky Bay und grandiose Installationen des in Berlin lebenden Städelabsolventen Tomás Saraceno, der eine Seidenspinne für sich arbeiten lässt, doch dazu später mehr.
Zu den achtbeinigen Stars in der Spinnen-Manege gehört neben den hinter dickem Doppelglas sicherheitsverwahrten giftigen Schwarzen Witwen und einem über 26 Zentimeter Beinspanne verfügendem Exemplar gewiss auch David Bowie. Ihren Namen – vollständig heteropoda davidbowie – hat die Spinne noch zu Lebzeiten des Popidols aufgrund seines rot schillernden buschigen Haarkleides erhalten, was es vergleichsweise einfach macht, das Tier in seinem schattigen Versteck zu entdecken. Auch die Präferenz für das Nachtleben hat es mit dem Namenspaten gemein. Getauft wurde David Bowie vom Spiderman des Frankfurter Senckenberg, dem Arachnologen Peter Jäger, dem die Zoologie unter anderem bereits die Spinnen Lindenberg, Helge Schneider und Hans Jänicke zu verdanken hat. Wer kann, sollte seinen Besuch mit einer Führung oder einem Vortrag des Experten kombinieren.
Ohnehin macht über die emotionalen Achs und Huchs hinaus erst das geballte Wissen um die Spinnen den Aufenthalt wirklich lohnend. Ihr Balzverhalten, ihre diffizilen Jagdmethoden und ihre Fressgewohnheiten, ihre Webmethoden. Wer weiß schon, dass die Beschaffenheit von Spinnweben sie zum Optimum der medizinischen Wundversorgung machen. Oder dass die auf kleinstem Raum lebenden Tiere über Monate ohne Nahrung auskommen. Gleichwohl ist donnerstags (15 Uhr) die wöchentliche öffentliche Fütterung mit lebendigen Grillen eines der besonderen Angebote der Schau. Wer die Traute hat, kann sich die Spinne für sein Selfie auf den Handrücken setzen lassen.
Die Installationen von Tomás Saraceno sind separat untergebracht. Wir betreten einen dunklen Raum, der von gezielten Lichtstrahlen und einem feinen sphärischen Klang durchzogen ist, den der argentinische Künstler über ein Supermikrophon den Schwingungen eines Spinnfadens entnimmt. Der Städelabsolvent präsentiert hier in zwei Vitrinen und an einem offenen Gerüst faszinierende Bauwerke von originären Seidenspinnen (Nephilia) und öffnet so unsere Augen für deren uns unbegreiflich bleibende gestalterische Kunst. Während sich in den Vitrinen fertige Skulpturen befinden, die im Berliner Studio Saracenos entstanden sind, ist das dritte Netz von seiner Baumeisterin bewohnt. Die Spinne, die der Künstler aus Berlin mitgebracht hat, zieht ihre großartigen Bahnen nur noch, wenn an ihrem Haus etwas zu reparieren und auszubessern ist und sitzt ansonsten der Fütterung harrend gemütlich und mutmaßlich zufrieden in der Mitte des Konstrukts.  »The Artist is present« heißt das wohl.

Lorenz Gatt (Foto: © Sven Tränkner)
Bis 8. Januar 2017: Mo., Di., Do., Fr. 9–17 Uhr; Mi. 9–20 Uhr; Sa., So. 9–18 Uhr
www.senckenberg.de

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