Mauern im Osten, Urnen im Westen
An der deutschen Banane, dies vorweg, hat sich auch im Jahr 2015 nichts geändert. Wie in den Jahren zuvor, findet sich das Gros der dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zur Wahl gestellten Kandidaten für die jährlich verliehene Auszeichnung für den besten Bau des Jahres in einem die wirtschaftliche Prosperität spiegelnden großen geografischen Bogen. Er verläuft entlang der Landesgrenze von NRW über Hessen, Baden-Württemberg hin nach München und hat allein im Großraum Berlin einen Gegenpol.
Immerhin steht das Gewinnerprojekt im Osten. Den DAM-Preis 2015 empfängt das Berliner Architektenbüro Bruno, Fioretti, Marquez für die Rekonstruktion der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bauhaus-Meisterhäuser von Walter Gropius und László Moholy-Nagy in Dessau. Es sei die umstrittenste Entscheidung in der Geschichte dieses seit knapp zehn Jahren verliehenen Preises gewesen, betont der DAM-Direktor Peter Cachola-Schmal. Dabei ging es wohl weniger um die Wiederrichtung einer weißen Trennmauer zur Stadt, die die Anhaltiner beschäftigte, als um das, was die Architekten eine »gebaute Unschärfe« nennen. Davon ausgehend, dass selbst eine Eins-zu-eins-Rekonstruktion immer nur Kopie bliebe, haben sich die Hausbauer für eine »abstrahierende Rekonstruktion« entschieden, die unter Wahrung des Außenbildes das Innere der Gebäude einer vollkommenen Neugestaltung unterzog. Die unter den Nazis von den Junkers-Werken okkupierten Bauten der einstigen Künstlerkolonie werden künftig als Besucherzentrum genutzt. Das Siegerprojekt wird in einem separierten Raum mit Modellen, Fotos, Illustrationen und Büchern gewürdigt.
Aber auch alle anderen der 21 nominierten Projekte sind in Wort, Bild und häufig auch mit Modell vertreten. In Frankfurt gehören der EZB-Bau von Coop Himmelb(l)au und die in einem Modulsystem in Holz errichtete Kindertagesstätte in Schwanheim zu den Erwählten. Das vielleicht spektakulärste Werk aber steht in Köln. Die Grabeskirche St. Bartholomäus am Helmholtz-platz hat ihre Existenz dem Mitgliederschwund der katholischen Kirche zu danken. Den ehemals lichtdurchfluteten Kirchenbau von 1959 hat schon 1979 der Künstler Giselbert Hoke mit Pop-Kirchenfenstern verwandelt. Für seine neue Bestimmung ist in seinem Innern nun um einen rechteckigen Raum ein mit Bronze versetztes dünnes durchsichtiges Metallnetz zur Andacht gezogen worden, der bei Trauerfeiern durch Lichteffekte gar sichtdicht gemacht werden kann. Umgeben ist dieser Raum im Raum von einer dunklen, schließfachartigen, doch eleganten Anlage metallener Kästen mit Urnengräbern, dem Kolumbarium.
Originell ist aber auch die Antivilla eines Berliner Büros in Potsdam-Kramnitz, das ein zum Abriss stehendes Gebäude mit ressourcenschonendem Konzept zu erhalten vermochte. Besser zu erreichen für Berlin-Touristen ist das Shoppingzentrum Bikini Berlin am Bahnhof Zoo, interessanter für bohemienferne Hauptstadt-Umzieher dürften die mit variablen Wohnungen im karminroten Großkomplex am Lokdepot sein. Eine Hochschule in Thazin, Myanmar, und das Krankenhaus Léo in Burkina Faso zeigen, was deutsche Architektur Gutes im Ausland zu leisten vermag, das hochmoderne gläserne Wipo-Konferenz-Gebäude in Genf dagegen, wofür sie gemeinhin steht.