Die Internationalen Maifestspiele Wiesbaden haben noch tolle Angebote

Wer hätte das zu hoffen gewagt? Der Jahreshöhepunkt der Theatersaison in der Region wird fast ohne Einschränkungen über die Bühnen des Hessischen Staatstheaters gehen. Ein volles Haus verheißt trotz der gebotenen Masken echte Festivalatmosphäre, wenn etwa das phantastisch besetzte Berliner Ensemble am 11. und 12. Mai Barrie Koskys Aufbereitung von Brechts »Dreigroschenoper« gibt, oder am 10. und 11. Mai Matthias Brandt mit dem von Oliver Reese verfassten Solo von Max Frischs Roman »Mein Name sei Gantenbein« auftritt. Indes wird, wer jetzt noch keine Karte dafür hat, auf normalen Wegen kaum noch welche kriegen.
Unter den 46 exquisiten Gastspielen aus Oper, Tanz und Theater findet sich allerdings noch vieles, das der Großgeschmack einer alten Landregel folgend erstmal liegen lässt. Wie die Adaption des Romans »Die Effingers« durch die Münchener Kammerspiele. Dessen bisher immer zu entdeckende Autorin Gabriele Tergit wurde noch 1931 für ihre Satire »Käsebier erobert den Kurfürstendamm« als literarische Entdeckung in Deutschland gefeiert, doch so wie auch Irmgard Keun schnell verboten und noch länger als diese vergessen. Ihr noch kaum beachtetes Epos »Die Effingers« (1951 erschienen) erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie zwischen 1883 und 1946. Regisseur Jan Bosse, der in Frankfurt zuletzt spektakulär Shakespeares »Richard III« mit Wolfgang Koch inszenierte, habe aus diesen Stoff einen »großen Abend« gemacht, heißt es auf der Theaterplattform nachtkritik.de, und die taz schwärmt von den tollen Frauenrollen, die hier im Mittelpunkt stehen: »Die preußische Ordnung, der Glaube an Fleiß, Wachstum und standesgemäße Heiraten weichen einer Vielzahl an Möglichkeiten – gerade für die Frauen (..). Wie viel Freiheit sie sich in relativ kurzer Zeit erobern konnten, bis die Nazis auch diese plattmachten: Das ist ein Eindruck, der bleibt!«. Dabei kommt es zu einem Wiedersehen mit Katharina Bach, die aus Frankfurt, und Johanna Eiworth, die aus Mannheim nach München wechselte; müßig, hier alle Namen der großbesetzten Schau zu nennen, die – darauf muss man sich einstellen – inklusive Pause mehr als drei Stunden für das 900-Seiten-Werk braucht.
An der fehlenden Popularität der Autorin kann es bei Yasmina Rezas Monolog »Anne Marie Die Schönheit« nicht liegen, dass noch Karten zu haben sind. Geschuldet ist das eher dem Umstand, dass hier eine Kleinstadtbühne, das Theater Freiburg, ein Gastspiel mit einem Schauspieler gibt, den auch nicht jeder kennt. Dabei hat Reza dieses bewegende und natürlich auch komische Porträt einer mit ihrem Leben abschließenden und abrechnenden alternden Schauspielerin, die zeitlebens nur in Nebenrollen eingesetzt worden ist, dem Schweizer Darsteller Robert Hunger-Bühler (s. Foto) als Monolog quasi auf den Leib geschrieben. »Eindreiviertel Stunden große Schauspielkunst«, verspricht die FAZ.
Auch unter den 15 eigenen Beiträgen, die das Hessische Staatstheater dem Festspielreigen zugesellt, finden sich Preziosen wie die nun erstmals en bloc zu sehende Trilogie »Utopia« von Tom Stoppard, die wir hier separat besprechen. Aus der Reihe fallen auch sechs Beiträge der Freien Szene Wiesbadens, die unter dem Motto »Ans Licht« aus Maifestspiele-Stipendien hervorgegangen sind. Eine der theatralen Produktionen ist das »Werkstatt.stück« der jungen theatermacher Paul Schletter und Sebastian Faber (29. Mai 20 Uhr). Zwölf Produktionen umfasst die traditionelle »Junge Woche« der IMF.
Es gibt viel zu tun, und noch mehr zu sehen. In den Kollonaden begleitet die Ausstellung »Vorhang auf« das Event, die eigentlich zum Jubiläum im vergangenen Jahr konzipiert worden war. Sie bildet mit Requisiten, Kostümen, Acessoires, Karikaturen und Fotografien 125 Jahre Theatergeschichte in Wiesbaden ab.

Winnie Geipert (Foto: © Britt Schilling)

www.staatstheater-wiesbaden.de

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