Anfang der 90er Jahre gab es ein Wort im Sprechen und Schreiben über Popmusik, das mochte keiner hören. Man benutzte es am besten gar nicht, denn es war ganz und gar aus der Mode gekommen: Zu fordern, Popmusik solle »authentisch« sein, das war nicht nur uncool, sondern nachgerade verboten. Die Hamburger Band Die Sterne sahen das damals ein bisschen anders und verbanden den rumpelnden Funk von Sly Stone und Parliament mit dem agitatorischen Pop-Prinzip von Ton Steine Scherben – beseelten dieses Gebräu durch eigenes Erleben, denn das wollten sie schon: etwas Echtes schaffen.
Und das gelang ihnen: Sie entfernten sich von der stimmigen Sprache gängiger Popmusik, unterbrachen den Erzählfluss, nahmen – an der New School des Hip Hop und an Funk geschult – verschiedene Erzählperspektiven ein, verweigerten gerne das Ende der Geschichte. Man konnte Mitte der Neunziger kaum eine Band aus Deutschland hören, die dermaßen groovte, die so viel Flow hatte.
Mit den Jahren veränderte sich der Sound hin zu einem noch deutlicher von elektronischer Musik, von Beats und Bass geprägten Klangbild. »Die Grenzen zwischen Laptop und Proberaum, DJ-Pult und Bühne sind es, die in diesen Tagen eingerissen werden und verschwinden«, sagte Sänger und Gitarrist Frank Spilker einmal.
Das mag sein, dennoch macht es auch Spaß, die Band live zu erleben, wenn sie ihre ganz alten Lieder spielen, Sterne-Klassiker wie »Big in Berlin«, »Universal Tellerwäscher“, »Was hat Dich bloß so ruiniert« oder »Fickt das System«. »Nur fürchtet sich der Witz vor der Pointe, was mach ich nur, wenn wieder keiner lacht«, fragt sich Spilker in dem phantastischen Stück »Inseln«, wohl wissend, dass bei den Sternen fast jede Text-Pointe zündet und sich ihre Betrachtung der Welt vor allem nicht im Blick auf das kleine Glück erschöpft.
Interessante Gedanken über die, so Spilker, »Schizophrenie des Daseins«, zu denen man tanzen kann, das waren und sind immer noch der Sterne stärkste Waffe. Das macht die Band in Deutsch-Pop-Zeiten von Philipp Poisel, Tim Bendzko & Co., in Zeiten sentimentaler Privatisierung so angenehm anders. Im Colos-Saal stellt die inzwischen neu formierte Band um Spilker ihr neues, nun 13. Album »Hallo Euphoria« vor, auf dem wir nun auch erstaunliche Streicher-Harmonien hören. 23 Jahre war die Band nicht in Aschaffenburg – nun, Hallo Euphoria, schauen Sie mal wieder im Colos-Saal vorbei.