Frau Doktor im Schlachthof Wiesbaden

In Wiesbaden rumpelt es nicht so oft, aber bisweilen gewaltig. Immer dann nämlich, wenn Frau Doktor bei ihren Heimatkonzerten auf der Bühne stehen. Dann kommt es zu Turbulenzen. Da gibt es kein Halten mehr: Die ganze Meute hüpft im Offbeat. Echte Kenner der in Jamaika in den späten 50er Jahren entstandenen Tanzmusik Ska lieben Frau Doktor: Denn die neun Musiker (und eine Musikerin) haben nicht nur gute eigene Songs, sondern auch den Schmiss, sich an echte Klassiker zu wagen. Sie haben die Dead Kennedys gecovert, den Specials-Klassiker »Enjoy Yourself« neu interpretiert, »Babylon‘s burning« von den Ruts – und sich sogar an »Maggie May« von Rod Stewart herangewagt.
1995 wurde die Band gegründet, wie sich Sänger Bernhard »Üni« Erler erinnert: »Wir kommen ja alle aus der Punk-Ecke, das war aber zu der Gründungszeit von Frau Doktor bei uns schon etwas out, Ska hat mich damals angesprochen Rudeboys, Skinhead-Reggae, smartes Aussehen und sich Gedanken machen, was auf der Welt so los ist. Die ›Specials‹ waren für uns damals cool, Ska ist ja eine recht positive Musik im Gegensatz zu Punk, vielleicht war es Zeit, mal positiv zu sein!«
Viele Jahre waren Frau Doktor ausgiebig auf Tournee, bis sie sich im Jahr 2010 aufgelöst hatten. Doch schon 2012 stand die Band anlässlich der Neueröffnung des renovierten Schlachthofs schon wieder auf der Bühne in Wiesbaden. 2015 wurden dann wieder einige Konzerte gespielt. Im Dezember 2018 informierte die Band schließlich, dass die 2010 bekannt gegebene Auflösung gescheitert sei. Und heute sind sie natürlich immer noch da und haben während der Pandemie überraschenderweise sogar ein Album aufgenommen: »Onkel Punk« heißt es.
Das ist typisch für diese Wiesbadener Ska-Band: Es gibt sie schon ewig – und sie machen gerne das, was man nicht erwartet. Und so war auch »Onkel Punk« kaum zu erhoffen. Zehn Jahre mussten die Fans auf das Werk warten, das die lange Geschichte der Band noch einmal weiterschreibt: Ska, Soul, Rocksteady und Punk – daraus zwirbeln Frau Doktor noch immer ein explosives Gemisch.
Mal zitieren sie den hämmernden Genre-Klassiker »Concrete Jungle« von den Specials, dann variieren sie den bekannten Stadion-Schmähgesang zu einem schnoddrigen »Alles außer Frau Doktor ist Scheiße«. Aus Dizzy Gillespies »Birks Works« aus dem Jahr 1957 machen sie ein treibendes Ska-Stück, bei dem die Bläser-Sektion zeigen kann, was sie so drauf hat. Jetzt ist die Band mal wieder im Schlachthof zu Gast – Heimspiel! Lasst es rumpeln!

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Fr., 30.9., 20 Uhr, Schlachthof Wiesbaden, Murnaustraße 1, 65189 Wiesbaden, 0611/97445-124.
www.schlachthof-wiesbaden.de

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