Gallus Theater: Die Daedalus Company zeigt »Die 4 Grazien«

Tanzt da etwa eine Echse? Oder ein Dinosaurier in einer bunten Spirale? Oder doch ein Wesen aus einer anderen Welt als die Wohnzimmeransicht, die sich jetzt auftut? Sind es etwa Frauen, die da scheintot herumliegen – gar nicht bunt angezogen, sondern in Schwarz, langärmelig und in vor allem bequemen Hosen. Sie plumpsen in bereitstehende Polstermöbel – Sofa, Sesselkombination (mit Lehne natürlich), beigebraun, die Farbe des Alters, Stil 50er Jahre Hauptsache auch hier: bequem …
Aber dann: Nicht umsonst ist der Titel im Imperativ. »Werdet alt – aber nicht langweilig!« Ein Befehl? Eine Empfehlung? Zitiert wird damit die hier als Modeikone bezeichnete Iris Apfel, also eine Art Heiligenbild. Das war, soviel weiß das Internet, eine erfolgreiche New Yorker Geschäftsfrau, die im vergangenen Jahr im Alter von 103 Jahre gestorben ist und sich bis dahin als »greises Modesternchen« beschrieb. Mit 97 Jahren schloss sie einen Vertrag als Model ab.
Ihr Motto nehmen sich die vier Grazien der Daedalus Company und die zehn Frauen der Tanzgruppe Ü 60 zu Herzen. Und machen sich sichtbar: fragen nach, weshalb »die Alten« (Frauen insbesondere) nicht vorkommen in Werbung, in diversen Präsentationen und zum Beispiel – oder nur selten – in TV-Diskussionen oder als Nachrichtensprecherinnen. Dabei können sie doch so beweglich und so bunt wie die Spirale am Anfang der Inszenierung.
Wie aus dem Nebel kommen sie, die Grazien, nicht eben graziös aber zunächst, in tristen Bademänteln. Doch sie verwandeln sich beim Erzählen ihrer Erfahrungen mit dem Altwerden, dem Schönsein-Müssen, mit den Falten, die das Leben schreibt, auch in ihrer wahrscheinlich letzten Lebensphase.
Sie untersuchen die öffentliche Meinung mit der Kamera, bestehen dabei auf dem wichtigen Punkt der finanziellen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit von und für Frauen. Sie teilen ihre Erfahrungen mit Sexualität, Liebe, Wünschen und Träumen, die keineswegs über einen Kamm geschoren werden können. Und so wird im Laufe der Zeit – im Laufe des Stücks auch – ihre Kleidung immer bunter, fantasievoller und verrückter, werden ihre Gesten und Bewegungen immer aufmüpfiger, und selbst das langweilige Polstermöbel verwandelt sich in ein wunderbar lilanes (doch wieder eine Frauenfarbe?), durchsichtiges Plastikmöbel. Unter der Regie von Regina Busch hat ein Team von sechs Frauen und drei Männern eine wunderbare Performance – so heißt das wohl heutzutage – hervorgebracht, amüsant, unterhaltsam und lehrreich zugleich. Das will doch was heißen!

Katrin Swoboda / Foto: © Devin McDonough
Termin: 20., 21., 22. Februar, 20 Uhr
www.gallustheater.de

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