Greta Thunberg trifft Donald Trump
State of the Art bringt das Maifestival nicht zum ersten Mal auf das Wiesbadener Tanzparkett. Eher überrascht in diesem Jahr die klassische Inszenierung eines veritablen Handlungsballetts. Die kommt mit dem Koreanischen Nationalballett aus Seoul, das zwei Abende lang mit Marius Petipas Klassiker »Le Corsaire« im Großen Haus gastiert. In der Neuchoreografie von Jungbin Song steht Spitzentanz auf Weltniveau an. Und sehr erfreulich: Karten gibt es auch noch. (Termine: 11., 12. Mai, jeweils 19.30 Uhr)
Das Zeug zum Neo-Klassiker hat die schon 2009 in London uraufgeführte Choreografie »Faun« des belgisch-marokkanischen Tanzmeisters Sidi Larbi Cherkaoui, der fast sowas wie ein Stammgast der Bühnen der Region ist. Seine Arbeit mit dem Ensemble des Ballet du Grande Théatre de Genève, dem er als Ballettdirektor vorsteht, ist eine moderne Interpretation der 1912 uraufgeführten Choreografie von Vaslav Nijinskys zu Claude Debussys »Prelude à l’après-midi d’un faune«, das seinerseits auf einem Gedicht von Stéphane Mallarmé beruht. Für Cherkaouis Version hat der britisch-indische Komponist Nitin Sawehny die Musik Debussys variiert.
Als zweites Stück führt die Genfer Kompagnie die Choregrafie »VÏA« des französisch-marokkanischen Tanzmeisters Fouad Boussouf auf. Die Szenografie stammt von dem vor Jahresfrist in der Schirn gewürdigten Schweizer Plastiker Ugo Rondinone. (Termine: 20., 21. Mai, jeweils 19.30 Uhr)
Mit einer Nijinsky-Choreografie hat auch Marco Goecke schon die Wiesbadener entzückt. Das war im Jahr 2017. Dieses Mal beherrscht die Schlagzeile, dass der nach einer bösen (und hinlänglich bekannten) Entgleisung gegenüber einer Kritikerin weithin geächtete Künstler überhaupt eine Bühne erhält. »gerade NOW« titelt der Abend. »Midnight Raga« heißt Goeckes Beitrag dazu, ein zur Musik von Ravi Shankar und Etta James nun mit Tänzern des Hessischen Staatsballetts entwickeltes Duett, das trotz seines orientalischen Zuschnitts Göckes typisch- nervöse Tanzhandschrift erkennen lässt. Uraufgeführt wurde es bereit 2017 vom Nederlands Dans Theater. Komplettiert wird der Now-Abend von Martin Harriagues Choreografie »Of Prophets and Puppets«. In einem genreübergreifenden Mix aus Tanz, Schau- und Puppenspiel erzählt der Franzose von Macht, Manipulation und dem Einfluss der Medien im Spiel mit Fakten und Fiktionen. Im Rahmenformat einer Talkshow lässt es Harriague mit den Mitteln von Choreografie und Tanztheater zu einer fiktiven Begegnung der beiden ikonenartigen Personen Greta Thunberg und Donald Trump kommen. (Termine: 27., 28. Mai, jew. 19.30 Uhr)
Unter dem spektakulären, den bipolaren Schriftsteller Thomas Melle zitierenden Titel »Sex mit Madonna« steht eine Choreografie von Chris Jäger in der Wartburg auf dem Programm. Die dort formulierte Spannung zwischen Manie und Depression gehen Justyna Kalbarczyk, Cordelia Eleonore Lange und Louis Thato Partridge mit 100 Kilo Konfetti an. Wie vom Blitz getroffen tanzen sie euphorisch, schon lange ihrer Kräfte beraubt. Ihre Körper flehen nach Entspannung, doch sie finden keine Ruhe. (Termin: 24., 25 Mai, jeweils 19.30 Uhr).