Im Kellertheater steht »Der Besuch der alten Dame« ganz im Zeichen von Brigitte Korn

»Die Rache ist mein« wird Gott in der Bibel vom Apostel Paulus in den Mund gelegt. Diesen divinen Anspruch gibt Friedrich Dürrenmatt in seinem ersten großen Theaterstück »Der Besuch der alten Dame« seiner Protagonistin mit auf den Weg, die ungeheuer reich ist und weitgehend aus Ersatzteilen besteht. Claire Zachanassian, so ihr an Onassis und andere Magnaten der Zeit angelehnter Name, kehrt nach 45 Jahren mit ihrem Gefolge in ihren wirtschaftlich abgehängten Geburtsort zurück, um ein ihr im Alter von 17 angetanes Unrecht zu rächen. Ihre heimliche Jugendliebe Alfred Ill hatte damals vor Gericht geleugnet, die aus prekären Verhältnissen stammenden Kläri geschwängert zu haben, und sie durch gekaufte Zeugen in Misskredit gebracht. Die geächtete junge Frau floh daraufhin die Stadt und hielt sich als Prostituierte am Leben, ihr Kind aber starb. Für diesen Tod fordert die durch zahlreiche Hochzeiten zur Milliardärin Avancierte nun Alfreds Leben von den Stützen der Gesellschaft und erhält es auch – nach einem Geldangebot, das einem Krebsgeschwür gleich jede Moral, jeden Skrupel, jeden Widerstand und alle Hemmungen überwuchert. Zu den sprechenden Namen in Dürrenmatts Stück gehört auch der des Güllen genannten Städtchens.
Im Frankfurter Kellertheater wird die 1956 uraufgeführte »tragische Komödie« auf einer mit einem Umzugskartons übersäten Bühne umgesetzt, deren tristes Braun den desolaten gesellschaftlichen Zustand des Ortes unterstreicht. Das Einzige, was hier zu Beginn glänzt ist Claires türkises Kleid. Mit ihrem Wohlstandsversprechen aber kommt Farbe und Ordnung ins Spiel. Die Einwohner stimmen und kleiden sich – optimistisch auf Pump – für bessere Zeiten ein und die für das Stadtbild stehenden losen grauen Kartons mutieren zu anmutig geordneten bunten Würfelstapeln.
Mit Brigitte Korn verfügt die Frankfurter Amateurbühne in der Mainstraße über eine Schauspielerin, der die Rolle einer völlig unnahbaren Rächerin auf den Leib geschrieben scheint. Korn zeichnet ihre Figur als scheinbar sensibel, wenn sie ihren Jugend-Lover Alfred, den Albrecht Pockrandt überzeugend zu geben weiß, die Sternstunden ihrer jungen Beziehung, ihre Liebesnester und Kosenamen erinnern lässt, um gleichwohl aber herz- und mitleidlos ihren Plan durchzuziehen. Die zum göttlichen Arsenal zählende Gnade, auf die man auch wegen des zunehmend geläuterten Schuldigen hofft, hat die Hin-Richterin nicht in ihrem Portfolio. Auge um Auge, Leben um Leben.
Das insgesamt 32 Figuren umfassende Personal in Dürrenmatts Stück hat die auch für die Bühne verantwortliche Regisseurin Ute Rasim halbiert und deren Rollen auf zehn Akteure verteilt, die mit einer kompakten Ensembleleistung eine jederzeit unterhaltende Aufführung realisieren, die es noch immer in sich hat.

Winnie Geipert / Foto: © Anja Kühn
Termine: 5., 6. Mai, jeweils 20.30 Uhr
www.kellertheater-frankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert