Irische Solidarität
»Jimmy‘s Hall« von Ken Loach
Wenn es denn tatsächlich stimmen sollte, dass Ken Loach keinen neuen Film mehr in Angriff nehmen will, dann ist »Jimmy’s Hall« ein typischer Loach-Abschied geworden: ein hoffnungsvolles Loblied auf die Solidarität, die diesmal für die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche vonnöten ist. Denn deren allzu sinnenfrohe Schäfchen scheinen vom frommen Weg abzukommen. Merke: Wo hemmungslos getanzt wird, müssen Kommunisten dabei sein.
Jimmy Hall, die Hauptfigur des Films, gab es tatsächlich. Er emigrierte während des irischen Unabhängigkeitskampfes in die USA und kehrte Anfang der dreißiger Jahre nach Irland zurück. Mit seinem Grammophon und einem ganzen Schwung aktueller Jazz-Platten im Gepäck kommt er den jungen Leuten in der Grafschaft Leitrim wie gerufen. Endlich einer, der die verfallene »Pearse-Conolly-Hall«, ein großer, leer stehender Holzschuppen, wieder zum Leben erwecken kann. Widerstrebend zunächst willigt Jimmy ein. Und bald wird nicht nur zu Tin Whistle, Geige und Klavier, sondern auch zu amerikanischer Konserve getanzt, dass es eine Lust ist.
Nicht nur die aufkommende Feierlaune, auch der Unterricht in Boxen, Malen und Literatur, der in der umgetauften »Jimmy’s Hall« gegeben wird, ist dem strengen Father Seamus allerdings ein Dorn im Auge. Fühlte sich doch die katholische Kirche allein für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zuständig. Und die »Amerikanisierung« irischen Liedgutes galt es mit drastischen Maßnahmen zu bekämpfen. Dass die Namen der Tänzer im sonntäglichen Gottesdienst verlesen wurden, war nicht die schlimmste Idee des Priesters. Es sollte noch schlimmer kommen und mit Jimmy Halls Verbannung aus Irland enden.
In gewisser Weise ist der Film eine Fortsetzung von Loachs Drama »The Wind That Shakes the Barley«, in dem äußerst eindrucksvoll vom blutigen Unabhängigkeitskampf und den schmerzlichen Kompromissen, die zehn Jahre zuvor auch zu Streitigkeiten unter den Iren geführt haben, erzählt wird. Jetzt beschreiben Loach und sein Drehbuchautor Paul Laverty, wie es mit einer autoritären irischen Regierung weitergegangen ist, wie sich Kirche und gemäßigte Politiker verbündet haben und wie die »einfachen Leute« weiterhin arm und ungebildet geblieben sind. Laverty hat sich die Unterstützung von Historikern geholt, weil in den Archiven Material zum Fall Jimmy Hall kaum vorhanden ist. Dass sich der katholische Klerus mit der zumeist britischen Oberschicht im Land verbündet hat, fällt dem Betrachter allerdings schwer zu glauben. Hatten die Briten doch der katholischen Kirche längst den Rücken gekehrt.
Dennoch überzeugt der Film »Jimmy’s Hall« durch seine Lebendigkeit. Diesen widerborstigen Iren zuzuschauen macht einfach einen Heidenspaß.