Streben nach Licht
Der neue Kantor der St. Thomaskirche in Heddernheim, Manuel Dahme, hat nahezu geräuschlos die Aufgaben seines langjährigen Vorgängers Tobias Koriath übernommen. Die Programmvorschau der nächsten Veranstaltungen zeigt, dass auch inhaltlich weiterhin hohe Maßstäbe gesetzt werden. So erfährt die bemerkenswerte »Neue Frankfurter Bachstunde« am 19.9. in der 150ten(!) Ausgabe mit repräsentativen Werken wie des Leipziger Meisters 5. Brandenburgischem Konzert und der 2. Orchestersuite einen weiteren Höhepunkt, interpretiert vom hauseigenen Ensemble ThomasBarock. Gleich zu Beginn der neuen Saison wird am 7.9. der Kammerchor »Sophia« aus Kiew erwartet, der sich – gerade in dieser aufgewühlten Zeit – als musikalischer Botschafter der gepeinigten Ukraine versteht. Mit dem Programm »Pursuit Light« (Streben nach Licht), das sich an Gedichte des Dichters Omar Khayyam anlehnt, haben sich die Sänger*innen u.a. bereits namhafte Preise geholt und sind vielfach aufgetreten. A-Capella-Kompositionen ukrainischer Komponisten alternieren mit Werken u.a. aus Amerika und Ungarn. Spannend in jedem Fall.
Ein weiteres Highlight wird, wieder im Rahmen der Neuen Frankfurter Bachstunde, am 19.10. ein Dialog der Bach´schen »Goldbergvariationen« mit Klavierkompositionen des 2022 gestorbenen amerikanischen, grandiosen Neutöners George Crumb.
Das alles bei freiem Eintritt. Spenden am Ende der Konzerte willkommen.
Alle Termine und Infos auf der Webseite www.evangelisch-nordwest.de
Save the Sea – Empört Euch!
Konzertante Musik für Bläser mit begabten jungen Musiker*innen zur Konzertreife zu führen war der Grundgedanke bei der Gründung der »Bläserphilharmonie Rhein-Main« im Jahr 2010. Was zunächst als einmaliges Projekt vorgesehen war, entwickelte sich nach großem Erfolg ganz anders.
Ambitionierte und begabte Laien fanden sich im Main-Kinzig-Kreis zusammen, um aus dem einmaligen Projekt ein dauerhaftes werden zu lassen. Mit dem Pianisten und Posaunisten Jens Weismantel als Spiritus Rector wurde das Orchester zum LJBO, dem Landesjugendblasorchester Hessen, und rasch zum Begriff über den Kreis hinaus. An der Bläserakademie Sachsen und der Hochschule für Musik in Frankfurt erwarb sich Weismantel seine dirigentischen Fähigkeiten. Eine intensive Probenphase an meist vier Wochenenden führt zu bemerkenswerten Aufführungen großer sinfonischer Kompositionen. Für das Projekt 2024 haben sie sich ein zeitgemäßes Thema vorgenommen: Eine fünfsätzige Sinfonie des ungarischen Komponisten Frigyes Hidas (1928–2007) als Hauptwerk des Abends gibt mit ihrem Titel »Save the Sea« das Motto vor. Es geht um unsere Umwelt, die bedrohte Schönheit der Natur und darum, sich gegen bedrohliche Entwicklungen zu erheben. In einer weiteren Komposition des Luxemburgers Marco Pütz heißt es »Empört Euch«!. Ein »Concertango« für Jazztrio und sinfonisches Blasorchester des Amerikaners John Mackey und eine Komposition von Luis Serrano Alarcón ergänzen einen musikalischen Bilderbogen, der zusätzlich visuell gestaltet wird durch faszinierende Bildkompositionen des Gelnhausener Fotografen Bernd Schreiber. Alles in allem dürfen wir Spannendes erwarten.
Termin: 22. September, 16 Uhr,
Congress Park Hanau
Infos und Karten ab 10 €
www.bprm.info
Quicklebendig
Ein weiteres Highlight: Im Kurhaus Wiesbaden wird mit Gustav Mahlers 7. Sinfonie das »Lied der Nacht« beschworen, des vergrübelten Meisters fünfsätziges, enigmatisches Werk – aus der Nacht zum Licht? Am Pult wird Jonathan Nott stehen, der über 10 Jahre künstlerischer Berater und erster Dirigent der JdPh gewesen ist und mit einigen Aufführungen des jungen Orchesters Maßstäbe gesetzt hat. Zuvor wird »Studio di Ombre«, ein Notturno für Bläser und Schlagzeug der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti zu erleben sein, ein Changieren zum sinfonischen Thema Mahlers zwischen Licht und Schatten.
In der Mitteilung zu diesem Festkonzert (das danach noch in anderen Städten wiederholt wird) beschreibt Dirigent Jonathan Nott sehr eindrücklich: »Die Zeit mit den Musiker*innen der JdPh schätze ich außerordentlich. Als Dirigent allein ist das Leben nicht nur lautlos, sondern nutzlos. Die Herzensverbundenheit dieser Musiker*innen strahlt allen entgegen, die ihnen nahekommen.«
Dem ist nichts hinzuzufügen als hinzugehen und nachzuempfinden, wie grandios und quicklebendig Musik gestaltet werden kann.
Termin: 19. September, 19 Uhr,
Kurhaus Wiesbaden
Infos und Tickets: www.jdph.de
Freigeist Henze
Die Oper Frankfurt nimmt sich dankenswerterweise nach vielen Jahren mal wieder des überaus vernachlässigten Komponisten Hans Werner Henze (1926–2012) an – und das ohne jeglichen Jubiläumsanlass! Henze, in vielerlei Hinsicht ein rastlos schaffender Freigeist, hat sich nicht nur musikalisch-dogmatischen Strömungen seiner Zeit verweigert (Stockhausen, Boulez etwa), sondern ist schon früh nach Italien gezogen, weil er dort »frei leben und arbeiten« könne (Zitat Helmut Rohm). In der Tat sind dort seit seiner Übersiedlung 1953 nicht nur sinfonische und konzertante Werke entstanden: Henze vertiefte sich in literarische Vorlagen (W.H Auden, Wilhelm Hauff), fand in der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann eine kongeniale Librettistin (Der junge Lord, später eben Der Prinz von Homburg) und sah sich als Komponist durchaus auch politisch auf der Seite der damaligen sozialistischen Studentenbewegung, besuchte in diesem Kontext auch Kuba, sich dabei gleichzeitig eher introvertiert zurücknehmend. So war auch die »Darmstädter Schule« nicht sein Ding. Wenn´s denn Einordnungen braucht, so mag man seine musikalische Sprache irgendwo zwischen Strawinski – Weill – Ligeti suchen. Sie ist im feinsten Sinn stets »ästhetisch« und wohl auch daher lange Jahre erfolgreich aufgeführt worden. Nachhaltige Spuren hinterließ Henze auch in seinem geliebten toskanischen Weindorf Montepulciano, in dem er 1976 das Festival »Cantiere internazionale d´Arte« ins Leben rief, das bis heute (jetzt als Stiftung) sommerliche Ferienkurse für begabte junge Künstler*innen durchführt.
Zu Heinrich von Kleists Drama »Der Prinz von Homburg« fragt die Opern-Ankündigung zu Recht, ob es die Schilderung eines preußischen »Träumers, eines Befehlsverweigerers oder eines Helden« ist. Das Bachmann-Sujet setzt Henze ganz im besten Sinne seiner eigenwilligen Tonsprache um: Je nach Situation ereignen sich oft Vermischungen aus Atonalität, serieller Musik und Anklänge an die Zwölftontechnik – und doch führt alles immer wieder zurück zur Tonalität. Die Oper ist nicht von ungefähr Igor Strawinski gewidmet, der ähnliche Wege gegangen ist.
Wir dürfen gespannt sein auf eine aktualisierte Sichtweise des 1960 uraufgeführten Dreiakters in der Inszenierung von Jens Daniel Herzog, mit dem Studienleiter der Oper, Takeshi Moriuchi, am Pult und dem Ensemble des gefeierten »Opernhaus des Jahres«.
Termine: 22.9. (Premiere),
28.9., 5., 12., 19., 25.10.
Kartentelefon: 069/212 49494 oder www.oper-frankfurt.de