An Goethes »Faust« führt in diesem Sommer nicht mal ein Waldweg vorbei, wie das Theater Willy Praml (TWP) mit seiner ersten neuen Inszenierung spektakulär unterstreicht. Sie findet als achtteiliges Stationen-Drama im Frankfurter Stadtwald statt, trägt den »Wald« im Titel und Faust im Sinn. Den Text zu »Deutschwald im Herbst« hat Michael Weber, Leiter und Regisseur des Ensembles, aus einer historischen Rede von Thomas Mann destilliert, die sich stark auf die Figur des Goethe’schen Faust bezieht. Aus Anlass seiner erhaltenen US-Staatsbürgerschaft versucht der »frischgebackene Amerikaner« (so TWP) am 29. Mai 1945 drei Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den Mitgliedern des US-Kongresses »Deutschland und die Deutschen« zu erklären und insbesondere deren Empfänglichkeiten begreifbar zu machen. »Deutschwald im Herbst« lehnt sich aber auch an den Titel eines Episodenfilms über die Stimmung in Deutschland im Nachklang der RAF-Attentate von 1977 an und zieht damit den Vergleich mit der aktuellen Lage vor den anstehenden Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern. »Was der Amerikaner Thomas Mann reflektiert muss wieder gehört werden und der Faust-Text in diesem Zusammenhang und im kranken deutschen Wald kann nicht stärker widerhallen.«
Einen Blick auf deutsche Befindlichkeiten liefert die Wiederaufnahme von »zurückGEHEN ODER hierBLEIBEN. Heimat? In Zeiten von Krieg Flucht und Vertreibung«. Allerdings geht es hier um die Perspektive von syrischen Geflüchteten, die es vor rund zehn Jahren aus bekanntem Anlass nach Deutschland trieb und die das Theater Willy Praml in einem Aufruf damals zur Teilnahme an seinen kulturellen Projekten eingeladen hatte. In dem unter der Federführung von Willy Praml im vergangenen Sommer gefeierten Stück treten sie als Darsteller*innen auf, um sich »an … ihr ursprüngliches Zuhause … an die Zeiten vor und nach dem Krieg dort … an den Moment, in dem die Entscheidung gefallen ist, die Heimat endgültig zu verlassen« zu erinnern. Katrin Swoboda, die für uns die Aufführung in der Naxoshalle besucht hat, resümiert in ihrer Besprechung (Strandgut Oktober 2023) »Harte Momente, sanfte Momente, bewegend, interessant, wahnsinnig beeindruckend, einfach toll.«