Man stelle sich das gerne als eine Herkules-Aufgabe vor: aus einem Fundus von 1500 Exponaten der DZ Bank Kunssttiftung 29 herauszufiltern, die einem würdig erscheinen, das Thema »Passagen« zu illustrieren. Studenten des Masterstudiengangs Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang Universität in Essen haben dies jetzt getan und damit eine Ausstellung für die DZ Bank Kunststiftung kuratiert.
»Passagen« ist ein vieldeutiger Titel. Durchgänge, Übergänge lassen sich auf die verschiedenste Art und Weise darstellen. Ist doch allein schon das Medium – die Fotografie – ein Symbol für Transformation, für Übergang, für Spiegelung im Unbekannten. Doch dies allein genügt niemandem, gerade jetzt nicht, und so wird die Ausstellung auch zu einer, die Stellung bezieht, indem sie zwei aufrüttelnde Arbeiten gleich an den Anfang postiert: Richard Mosses »Yayladagi« ist ein Schwarzweißpanorama, welches aus der Ferne wie ein barock komponiertes Gemälde wirkt – ungezähmte übermächtige Natur aus Hügeln und Wäldern in Terrassen aufgetürmt mit weißen kleinen Inseln darin – doch beim Näherkommen entpuppen die sich als Häuser, als kleine Lichtungen voller Menschen, die weiß erscheinen. Tatsächlich handelt es sich hier um »Yayladagi«, ein Lager für syrische Flüchtlinge in der Türkei, das mit einer Wärmebildkamera aufgenommen worden ist. Die Menschen erscheinen deutlich als weiße Schemen, völlig identifizierbar, und sie haben keinen Platz, wo sie ihre persönliche Intimität wahren können.
Gleich daneben hängt eine nicht minder beeindruckende Arbeit von Sven Johne, »47 Faults between Calais and Idomeni«. Er hat Erde fotografiert, simple Erde, Erde mit Steinchen darauf, braune Erde, gepflasterte Erde, rissige Erde. Es handelt sich dabei um 48 gleichformatige Pigment-Tintenstrahldrucke, die zu einem Tableau komponiert sind. Sie zeigen die Erde auf dem Weg von Idomeni nach Calais, zeigen den Weg von syrischen Flüchtlingen, der sie an politischen Markierungen vorbei führt. Europa ist nicht nur ein Ort gemeinsamer Ideale, es ist auch ein Ort der Kriege, der Grenzen, der Bombenkrater, der Verwüstungen.
Den Schlusspunkt setzen die aus Fotos hergestellten Wandteppiche von Stephan Schenk (»Serie Kreuzweg«), dunkel bewegte Meere aus Grau und Schwarz und Weiß, in denen Abbildungen der Schlachtfelder von Isonzo und Przemysl miteinander verwoben wurden.
Es ist nicht leicht, in dieser eindrucksvollen Klammer zu bestehen. Als Hohelied auf die analoge Fotografie zu verstehen ist die Installation von 76 der unterschiedlichsten Fotopapiere der Schweizer F&D Cartier (»Wait and See«). Eine poetische und gleichzeitig sehr drastische Aussage gegen Kolonialismus formulieren die Fotos von Beatrice Minda, die in Myanmar verlassene Kolonialgebäude fotografiert hat, in einem entrückt wirkenden, diffusen Tropenlicht (»Dawei«).
Susanne Asal / Foto: Beatrice Minda, Daungyi, 2016, aus der Serie: Dark Whispers
bis 15. Oktober 2022: Di. bis Sa., 11–19 Uhr
https://kunststiftungdzbank.de