Täter, Opfer und Mitläufer
»Poenix« von Christian Petzold
Was darf man nach Auschwitz? Wenn Christian Petzold und Harun Farocki, die beiden Drehbuchautoren von »Phoenix«, eines erreicht haben, dann ist es eine erneute Diskussion über den Umgang mit Nazis und deren Opfern im Film.
Die Frage, ob man sich über Hitler und seine Gefolgsleute lustig machen darf, schien bereits zugunsten der Komödie entschieden. Dagegen ging es bei der TV-Miniserie »Holocaust« um die Frage, ob das trivialisierende Melodram eine passende Form liefern dürfe. Jetzt ist der Film noir an der Reihe.
Denn in »Phoenix« wird die Geschichte der Jüdin Nelly, die mit entstelltem Gesicht das KZ überlebt hat, mit starken Verweisen auf die Schwarze Serie erzählt. Mit bandagiertem Kopf sehen wir Nelly ins zerbombte Nachkriegsdeutschland zurückkehren. Nach einer Gesichtsoperation wird der Verband entfernt, und das Gesicht von Nina Hoss, Petzolds Lieblinsschauspielerin, ist zu erkennen. (Wir erinnern uns: In »Dark Passage« von Delmer Daves wurde Humphrey Bogart nach einer Sequenz mit subjektiver Kamera aus einem Kopfverband gewickelt.)
Während Nellys Freundin Lena (Nina Kunzendorf) bei der Jewish Agency Akten mit Naziverbrechen durcharbeitet, macht sich Nelly auf die Suche nach ihren nichtjüdischen Mann, der im Verdacht steht, sie an die Gestapo ausgeliefert zu haben. Nena findet ihren Mann, der unter dem Namen Johnny, also schon amerikanisiert, in der Bar Phoenix arbeitet.
Jetzt kommt Alfred Hitchcocks »Vertigo« ins Spiel, denn Johnny, gespielt von Ronald Zehrfeld, erkennt bei Nelly gewisse Ähnlichkeiten mit seiner totgeglaubten Frau und fasst einen Plan: sie soll Nelly werden, Johnny wird sie umformen, um mit ihrer Hilfe an das Familienvermögen zu kommen. Es fällt nicht leicht, dem Film abzunehmen, dass Johnny seine Frau nicht erkennt. Doch Petzold geht es um die Verdrängung der Vergangenheit im Nachkriegsdeutschland. Dass er den völkspädagogischen Zugriff eines Giulio Ricciarelli und dessen Dramas »Im Labyrinth des Schweigens« vermeiden wollte, ist ihm hoch anzurechnen. Er versucht, andere Bilder für das verworrene Nebeneinander von Tätern, Opfern und »Mitläufern« zu finden. Selbst auf die Gefahr hin, dass Nina Hoss hölzern wirkt und Ronald Zehrfeld entsetzlich begriffsstutzig.