Die komplette Welt des Tanzes hat der französische Choreograf Pierre Rigal sich und dem Ensemble von Tanzmainz mit einem Tanzstück über das Tanzstückemachen zum Thema genommen. In einer ungemein verspielten Schau auf der Bühne des Großen Hauses des Mainzer Staatstheaters wird der moderne Tanz von einem 13-köpfigen Ensemble extrem unterhaltend in alle seine Bestandteile zerlegt und dekonstruiert. Alles, was sonst eher im Hintergrund der Choreografie, ihr unter- und nachgeordnet fungiert, wird hier extrapoliert und für seine Verdienste gefeiert: Nicht nur die hier eigens benannten Tänzer*innen, ihre Kostüme, das Licht oder die Musik, auch die Stroboskop-Scheinwerfer, der Trockeneisnebel, der Tanzboden, selbst die Zugmaschinerie und die als Markierungen verwendeten Gaffer-Tapes erfahren – fernab einer Technikschau – ihre separate künstlerische Würdigung. »Welcome Everybody« heißt die ursprünglich schon für das Frühjahr 2020 geplante, dann aber corona-bedingt gecancelte einstündige Show, sie könnte als auch »Welcome Anything« heißen.
Passend kunterbunt sind die dafür ausgewählten Kostüme, vom hautengen Body, bis zum Rüschenkleid, von Harlekinkostüm bis zum weißen Flanieranzug. Doch was so extravagant und fast beliebig scheinend daherkommt, ist auf den Takt genau gestimmt. Das fängt schon mit dem Entrée der einzeln begrüßten Ensemble-Mitglieder an, die ein Zeremonienmeister aus dem Off dem Publikum applausheischend vornamentlich vorstellt. Weil die Stimme vom dann plötzlich hängen bleibt und wackelt, hängt und wackelt auch die Präsentation: Bis in die kleinste Geste hinein ist – wie immer oder doch meistens – alles eingeübt, einstudiert. Und als das Band aus dem Off inklusive Tonspur plötzlich rückwärtsläuft, spulen sich auch die Darsteller in exaktem Timing wieder zurück. Nichts, was auf der Bühne geschieht, ist so selbstverständlich, wie wir es erfahren.
Es ist ein vergnüglicher Abend, der vordergründig keine großen Denkaufgaben zu stellen scheint, sondern mit der Musik von Rigal-Partner Gwen Drapeau allen Tänzer*innen von Tanzmainz Raum und Material gibt, sich im und mit ihrem großartigen Ensemble zu präsentieren. Zwischen den Tanzzeilen aber lässt sich das Titel-Welcome auch in seiner ganzen gesellschaftlichen Bandbreite verstehen, wenn Gruppen auseinanderdriften oder einzelne Protagonisten Anschluss suchen. Das wuchernde Geflecht aus weißen immer wieder neu gespannten Banden, in dem Amber Pansters wunderbares Solo stattfindet, ist weit mehr als nur pitoreske Kulisse.