Von ersten Menschen und blutiger Hochzeit – Vorschau Oper Frankfurt

Bekanntes und Vertrautes neben Raritäten verspricht Intendant der Oper Frankfurt, Bernd Loebe, für die Saison 2025/26 und hält sich damit an sein eigenes Credo, uns Zuschauern immer wieder unvergessliche, freilich auch zum Nachdenken anregende Aufführungen anzubieten. So werden einige der erfolgreichsten Werke zum wiederholten Erlebnis einladen. Dazu gehören sicherlich »Manon Lescaut«, »Tosca« und »Madame Butterfly« von Giacomo Puccini, George Bizets »Carmen« in der Regie von Barrie Kosky.
Auf besondere Entdeckungen vergangener Spielzeiten sei hingewiesen, die einen wiederholten Besuch lohnen. Zum einen »Die Passagierin« des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg, die die Wiederbegegnung einer KZ-Aufseherin mit einer ehemaligen Gefangenen Ende der 1950er Jahre auf einer Schiffsüberfahrt nach Brasilien zum Inhalt hat.
Des Weiteren die einzige Oper des mit nur 28 Jahren im ersten Weltkrieg gefallenen Komponisten Rudi Stephan, der sich im Zweiakter »Die ersten Menschen« sehr eindrucksvoll mit der biblischen Geschichte um die Vertreibung aus dem Paradies, um Kain und Abel auseinandersetzt. Die grandiose musikalische Umsetzung Rudi Stephans ist ebenso berauschend wie die Inszenierung von Tobias Kratzer.
Unter den Premieren der neuen Saison darf man besonders gespannt sein auf »Boris Godunow« von Modest Mussorgski, ein Historiendrama nach Alexander Puschkin. Das Werk könnte als Schmerzenskind des von Selbstzweifeln und Trunksucht geplagten russischen Komponisten verstanden werden, hat er doch aus vielerlei Gründen unterschiedliche Fassungen angelegt, verworfen, neu konzipiert und am Ende ein teils uninstrumentiertes Torso hinterlassen. Rimski-Korsakow und Dimitri Schostakowitsch haben sich, fasziniert von der Genialität des Sujets, an eigene Orchestrierungen gewagt. Die Frankfurter Inszenierung (Premiere am 2.11.25) betreut Keith Warner, hier schon bekannt durch den Doppelabend mit Kurt Weill/Carl Orff 2023. GMD Thomas Guggeis wird vom Orchestergraben aus die Geschichte um Macht und Ohnmacht eines gequälten Volkes leiten. Gegenwartsbezogener kann heute eine Oper wie diese, mehr als 150 Jahre nach ihrer ersten Aufführung kaum sein.
Die Rolle des Komponisten Wolfgang Fortner (1907–1987) in der Nazi-Zeit ist nicht unumstritten, hatte er doch auf Antrag die Mitgliedschaft in der NSDAP erhalten. Nach dem Krieg als »Mitläufer« entnazifiziert, gehörte Fortner zu den Gründungsmitgliedern der für die musikalische Nachkriegsgeneration bedeutenden Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik: Ernst Krenek, Edgar Varèse und John Cage zählten zu den ersten gewichtigen Neutönern. Fortner selbst fand so etwas wie seinen eigenen Stil, auch wenn er sich gelegentlich der Zwölftontechnik bediente. Mit der Vertonung der lyrischen Tragödie »Bluthochzeit« des von Franco-Putschisten ermordeten Dramatikers Federico Garcia Lorca ist dem Komponisten eine bemerkenswerte Umsetzung gelungen. Indem er auch dem gesprochenen Text Raum gibt, ihn quasi überhöht zugunsten einer musikalischen Dramaturgie, die der Geschichte um zwei verfeindete Familien und Blutrache geradezu atemberaubende Wirkung (hier darf‘s mal so benannt werden) verleiht. Mit Alex Ollé von der spektakulären spanischen Theatergruppe La Fura dels Baus als Regisseur darf eine adäquate Inszenierung zu erwarten sein. Premiere am 10. Mai 2026.

Bernd Havenstein / Foto: © Kirsten Bucher
www.oper-frankfurt.de

 

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