Weihnachtszeit – ganz überraschend

Wie jedes Jahr kommt überaus überraschend die Advents- und Weihnachtszeit, auch wenn uns bereits seit August in den Supermärkten die ersten Düfte von Lebkuchen und den aus Osterhasen zusammengeschmolzenen Schokoladennikoläusen daran erinnern. Was noch fehlt, ist (vor-)weihnachtliche Musik. Bei der Suche danach soll ein wenig nachgeholfen werden, sofern sich die nicht nur auf Händels Tochter Zion oder Bachs »Jauchzet, frohlocket« beziehen muß. Und dies picken wir heraus.

Matrix ProduktionsfotoMatrix sinfonisch

Ganz unweihnachtlich, aber wie ein weihnachtliches Geschenk, setzt der hr seine Serie mit »Musik und Film« fort. Wer das letzte, grandiose Experiment mit Filmkompositionen von Hindemith und Paul Dessau miterlebt hat, wird den Actionfilm »Matrix« der Geschwister Landy und Andy Wachowski mit Keanu Reeves und der Originalmusik von Don(ald) Davis nicht missen wollen. Der Amerikaner Davis kommt aus der Ecke der Minimalisten wie John Adams oder Steve Reich, was ihn allerdings nicht daran hindert, im Sinne des Breitwandfilms ebensolche orchestralen Breitwandklänge zu erfinden. Der Oscar-prämiierte Film von 1999 mischt gekonnt Fiktion und Realität. Jetzt wird in einer Spezialfassung das englische Original mit deutschen Untertiteln, aber ohne die Filmmusik gezeigt. Der Sound-Track live mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung des bewährten Babelsberg-Spezialisten Frank Strobel wird sicher einen weiteren Publikums-Oscar bekommen.

Termin: 7. Dezember, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt
Karten ab € 17 unter 069/155-2000 oder www.hr-Ticketcenter.de

 

Die schwedische Lucia mit ihrem Gefolge (Foto: Svensk Ton)Santa Lucia, schwedisch

Und da sind sie wieder: die singenden, weihnachtlich swingenden Damen und Herren von »swensk ton«, dem a-capella-Chor auf den Spuren der schwedischen Santa Lucia. Aus terminlichen Zwängen kann das winterliche Lichtfest nicht am 13.12. gefeiert werden, was aber der winterlich-stimmungsvollen Atmosphäre sicher keinen Abbruch tun wird. Wiegen- und Krippenlieder u.a. aus Estland und Spanien, Doppelchöriges von Palestrina aus Latium oder von seinem englischen Pendant William Byrd bestimmen den ersten Teil des Abends. Der zweite Teil macht Ausflüge über den großen Teich nach Nordamerika, zu den »Drei Weisen im Morgenland« und zuletzt in die Ukraine. Und dazwischen, wie gesagt, eine echt schwedische »Lucia«. hr2-Moderator Arne Kapitza wird mit sonorer Stimme Weihnachtliches zu ergänzen wissen.

Termine: 7.12., 20 Uhr Heiliggeistkirche, Frankfurt und 8.12., 19 Uhr, Gedächtniskirche, Bad Homburg-Kirdorf (ebendort als verkürztes Familienkonzert am 8.12., 16 Uhr). Karten: karten@swenskton.de oder www.swenskton.de

 

Santa Lucia, weißrussisch

Nochmals Bad Homburg: im Kulturzentrum Englische Kirche wirbt die Camerata aus Minsk für weißrussische Weihnachten. Sieben Sängerinnen und Sänger werden nicht nur musikalische Bräuche der Adventszeit und Weihnachten (das dort am 6. Januar gefeiert wird) mitbringen, sondern fesselnde Stimmen, die orthodoxe Gesänge in all ihrer Mystik überzeugend darstellen können.

Termin: 12. Dezember, 20 Uhr, Kulturzentrum Englische Kirche, Bad Homburg
Karten und Infos: Kurhaus Tel.: 06172/178 4719 oder Tourist Infoi m Bahnhof Bad Homburg

 

Sibelius und Prokofjew, abgeklärt

Zu seinem letzten hr-Sinfoniekonzert des Jahres hat sich Chefdirigent Paavo Järvi den renommierten Cellisten Steven Isserlis geholt, um sich gemeinsam des selten gespielten Cellokonzerts von Sergei Prokofjew anzunehmen. Aus dem Paris von 1936 in die Sowjetunion zurückgekehrt und beeinflußt durch den legendären Ballet-Heiligen Sergei Diaghilew (man erinnere sich an das kürzliche Fest rund um Strawinskis »Le sacre du printemps«), schuf der Komponist ein Werk, das den Solisten eher als ›primus inter pares‹ behandelte: drei Sätze, die wie rhapsodisch ineinander übergehen und, so heißt es mit seinen eigenen Worten, zu einer Sinfonie »aus Stahl und Eisen« seien, eine Verherrlichung der Arbeit. Und das wollte bei der Premiere erstaunlicherweise so gar nicht gefallen. Er schrieb das Konzert 1952, kurz vor seinem Tod, noch einmal als »Sinfonia concertante« (op. 125) um, wo es »gefälliger«, vielleicht sogar abgeklärter erklingen durfte und seither einen Platz im Repertoire gefunden hat. Man darf gespannt sein auf diese erste Version, ebenso auf Sibelius zwei letzte Sinfonien (6 und 7) , die ebenfalls äußerst selten im Konzertsaal zu hören sind. Es ist Paavo Järvis Engagement zum Thema Nordische Musik zu danken, daß er seinen Sibelius-Zyklus mit diesen beiden Präziosen des Komponisten fortsetzt. Beide etwa halbstündigen Werke sind 1923/24 entstanden bzw. uraufgeführt und befinden sich gewissermaßen auf dem Rückzug aus der großen sinfonischen Form. Insbesondere die letzte Sinfonie, die quasi als Variationen der angeblich einfachsten C-Dur-Tonleiter daherkommt (die sich aber bereits am Ende der ersten Oktave auflöst), ist (wie bei Prokofjew) eher eine Fantasie, ein Sich-Entfernen von der eigenen Tradition. Wer sich auf diese Klangwelten einläßt, wird finnische Wunder erleben.

Termine: 12.12., 19 Uhr (als Jugendkonzert) und 13.12., 20 Uhr (Einführung
19 Uhr) in der Alten Oper Frankfurt
Karten: hr-Ticketcenter 069/155-2000 oder www.hr-Ticketcenter.de
Bernd Havenstein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert