»Ich bin nicht Sissi!«
Einmal musste es ja passieren. Marie Bäumers Ähnlichkeit mit Romy Schneider ist einfach zu verblüffend. Wenn die Maske noch ein wenig nachhilft, ist die Wiedergängerin für eine Filmbiographie, heutzutage Biopic genannt, perfekt. »3 Tage in Quiberon«, der Film, der gerade auf der Berlinale im Wettbewerb um den Goldenen Bären lief, hat aber mehr zu bieten als nur diese Attraktion.
Sie habe sich bei den Dreharbeiten nicht ständig bemüht, wie Romy Schneider auszuschauen, hat Marie Bäumer in einem TV-Interview gesagt. Dennoch muss man einfach gestehen: als Zuschauer will man das Ebenbild haben in so einem Film – ohne Wenn und Aber. Dass es in diesem Fall gelungen ist, liegt aber nicht nur an der äußeren Erscheinung, sondern auch am einfühlsamen Spiel der Darstellerin. Zudem hat sich Regisseurin Emily Atef (»Das Fremde in mir«) bemüht, der Person, um die sich alles dreht, und nicht nur ihr, gerecht zu werden – was ihr vielleicht ein wenig zu repräsentativ und zu brav gelungen ist.
Für ihr Porträt hat sie einen überschaubaren Zeitabschnitt gewählt, in dem alles enthalten ist, was die Person Romy Schneider und das, was wir mit ihr verbinden, ausmacht: die Verletzliche und Verletzte, die Lebenslustige und Temperamentvolle, die Hoffende und Enttäuschte und eben auch die Deprimierte. Ein breites Spektrum von manisch bis depressiv.
Romy zieht sich 1981 in ein Sanatorium an der bretonischen Atlantikküste zu einer Entgiftungskur zurück. Sie braucht dringend Ruhe, um vor allem ihre Beziehung zum heranwachsenden Sohn David zu entspannen, der lieber mit der Familie seines verstorbenen Vaters durch die USA fahren will, als sich auf Mutters Filmsets zu langweilen.
Ihre langjährige Freundin Hilde (Birgit Minichmair) hat sie zur Unterstützung eingeladen. Die ist gar nicht von Romys Plan angetan, den »Stern«-Journalisten Michael Jürgs (Robert Gwisdek) für ein Exklusiv-Interview zu empfangen. Aber Romy vertraut besonders Jürgs’ Fotografen Robert Lebeck (Charly Hübner), der schon oft wunderschöne Schwarz-weiß-Bilder von ihr gemacht hat. Gewissermaßen als Reminiszenz hat Kameramann Thomes Kiennast (»Das finstere Tal«) nun auch »3 Tage in Quiberon« in Schwarz-weiß gedreht. Zusammen mit dem breiten Scope-Format ergibt das einen interessanten Verfremdungseffekt, der mitten hinein in die Illustriertenwelt der damaligen Zeit führt.
Birgit Minichmair gibt die verständnisvolle Freundin, die Romy – mal auch erfolglos – zu bremsen versucht, Charly Hübner den bemühten Fotografen, der im Zweifel bedenkenlos das tolle Foto erhaschen will, und der unnachahmliche Robert Gwisdek den bohrenden Fragesteller, der zwischendurch auch die sich immer mehr öffnende Romy warnt und ihr immerhin den fertigen Artikel zur Genehmigung schickt, was seinerzeit keineswegs üblich war.
Romy gibt es frei, vielleicht weil sie gerade in Deutschland von ihrem Sissi-Image loskommen möchte. Doch auch mit diesem wenig schmeichelhaften Interview schafft sie es nicht. Ihr engelsgleiches Gesicht will einfach nicht zu dem verruchten Rollen passen, die sie in Frankreich angenommen hat. Auch für Marie Bäumer gab es eine Enttäuschung: Obwohl sie von vielen für ihre überzeugende Darstellung favorisiert war, ging sie bei der Bären-Verleihung in Berlin leer aus.