Wo geht’s lang?
»3 Zimmer/Küche/Bad« von Dietrich Brüggemann
Manche Filme machen süchtig. Kaum sind sie vorbei, möchte man sie noch einmal sehen. Vor allem den Anfang, da war bestimmt einiges, was man gar nicht richtig mitbekommen hat. »3 Zimmer/Küche/Bad« zählt zu dieser Sorte von Filmen. Und was das Beste ist: er macht beim zweiten Anschauen noch mehr Spaß als beim ersten Mal.
»Was würdest du machen, wenn ich mich jetzt von dir trennen würde?«, fragt Jessica Thomas, mit dem sie gerade in eine teuere Wohnung gezogen ist. »Vielleicht wär’ ich froh, daß mal Ruhe ist«, antwortet der nach einigem Drängen. Damit steht Jessicas nächster Umzug an.
Die Suche nach dem Menschen, mit dem man zusammenleben möchte, kann anstrengend werden. Auch die Suche nach einem Studienplatz oder dem richtigen Job. Ohne Umzug geht das nicht, und die Umzüge kreuz und quer in, von und nach Berlin werden in Dietrich Brüggemanns formal in Jahreszeitenkapitel gegliedertem Film zum verbindenden Element. Da gibt es den Sprung weg von den Eltern auf die eigenen Beine oder den Ortswechsel mit dem Partner, um nur zwei Beispiele zu nennen. Beim Umziehen lernt man sich kennen, manchmal bilden sich neue Paare unter den Helfenden. Die Umzüge symbolisieren die Suche nach dem eigenen Weg.
Viel hängt an den Schauspielern, die gut ausgewählt sind. Dietrich Brüggemanns Schwester Anna, die auch diesmal am Drehbuch mitgearbeitet hat, Jacob Matschenz, Robert Gwisdek und Amelie Kiefer sind alte Bekannte aus dem Vorgängerfilm »Renn, wenn du kannst«. Sie bilden den Kern eines überzeugenden Ensembles, zu dem auch die Darsteller der Eltern gehören (Corinna Harfouch spielt übrigens im Film nicht die Mutter ihres Sohnes Robert Gwisdek). Ihnen schaut man gerne zu, und am Ende mag man sich kaum von ihnen trennen.
Dazu kommt, daß Dietrich und Anna Brüggemann extrem ökonomisch erzählen. Oft gehen die einzelnen Episoden unvermittelt ineinander über oder laufen parallel. Die realistischen Dialoge sind auf das Wesentliche verknappt. Manchmal werden sie einfach weggelassen und die betreffenden Sequenzen nur mit Musik unterlegt.
Es fällt nicht immer leicht, die Personen auseinanderzuhalten. Doch das hat Methode. Die Konturen der vier jungen Frauen verschwimmen zu einer prototypischen Frau und die der vier Männer zu einem Mann mit entsprechenden Facetten. Alle Protagonisten suchen (zwei auch ihren Vater, der sich zu Vorzeiten aus dem Staub gemacht hat), arrangieren sich, mal skeptisch, mal voller Vertrauen. Mit anderen Worten: Der Film beschreibt ein Zeitgefühl der Generation Praktikum.
Mit ihrem Gespür für Situationen und ihrem lakonischen Humor verblüfften die Geschwister Brüggemann schon in ihrer bemerkenswerten Tragikomödie »Renn, wenn du kannst«. Die Geschichte eines Zivildienstleistenden, der sich um einen gleichaltrigen Rollstuhlfahrer kümmern sollte, war frei von dem betulichen Ton, den deutsche Filme häufig anschlagen. Auch »3 Zimmer/Küche/Bad« kommt ohne falsche Sentimentalität daher. Der Film ist eine Perle in diesem Kinoherbst.
Claus Wecker
3 ZIMMER/KÜCHE/BAD
von Dietrich Brüggemann, D 2012, 118 Min.
mit Jacob Matschenz, Robert Gwisdek, Anna Brüggemann, Aylin Tezel, Alice Dwyer, Corinna Harfouch
Komödie
Start: 04.10.2012