Ein wenig menschlicher
»Messner« von Andreas Nickel
Dies ist, einerseits, ein Film für Fans. Nicht unbedingt für Kletterfans oder Bergfexe als vielmehr für Fans von Bergfilmen. Denn kaum einen größeren Unterschied kann man sich vorstellen, als auf einen Berg gehen und einen Bergfilm ansehen. Andrerseits ist es eine Character-driven-story über einen Menschen, der sich gegen die Enge seines Tales, seiner Familie, seiner Erziehung und sogar gegen die Enge der traditionalistischen Szene der Bergsteigerei auflehnen muß und mehr oder weniger rätselhafter Weise zu einem »Phänomen« wurde.
Mögen einem Berge oder gar Eiswüsten auch als Areale der Natur erscheinen, die am besten von Menschen einfach in Ruhe gelassen werden sollten, den Namen, den Bartkopf und die vielen Rekorde des Südtirolers Reinhold Messner hat man parat. Der Mythos Messner wird natürlich nicht wirklich angegriffen in diesem Film von Andreas Nickel, ein wenig menschlicher gemacht, ein wenig durchsichtiger wird er schon. Es ist eine dramatische Nacherzählung dieses Lebens, von der Kindheit im Tal (nebst den Sommern auf der Alm) über Siege und Niederlagen, Verlust und Gewinn bis zur Altersmilde, von Messner selber erzählt, von seinen Brüdern, seinen Kollegen, seinen Begleitern – sogar ein, ausgerechnet, ob der Medienpräsenz und des Mangels an Demut erzürnter Luis Trenker kommt zu Wort. Dazu gehören auch die kleinen Spielszenen, mit denen die Dokumentation durchwirkt wird und die das Ganze in einem Bilderfluß halten, so als habe man dann doch Angst vor der allzu nüchternen Dokumentation gehabt. Aber entscheidend ist wohl wirklich, daß Messner das Bergsteigen nicht nur technisch zu modernisieren verstand, sondern auch in einem weiteren Sinne: Messner spricht ausdrücklich vom Abschied vom heroischen Bergsteigen, er lehnt die nationalistischen Züge ebenso wie die »Berg-Heil«-Riten der Szene ab. Stattdessen kam ihm und seinem Bruder schon beim Beginn der Nanga Parbat-Expedition die Idee einer individuellen Professionalisierung. Und ein professioneller und individueller Bergsteiger kann sein Geld nun mal nur durch Performance verdienen. Reinhold Messner ist immer auch der Reinhold-Messner-Darsteller, und zu dem gehört es, daß er ab und zu ins Grübeln kommt, daß er immer mal wieder ein wenig von der Person hinter den titanischen Aufgaben erkennen läßt. Dazu gehört, daß er von Angst, Verzweiflung und Einsamkeit sprechen kann. So nimmt uns der Messias der postheroischen Bergsteigerei ein paar von unseren Seelenlasten ab und schleppt sie auf einen 8000er.
Die Mischung aus Dokumentation und Spielszenen, aus Näherung an einen Menschen und Rekonstruktion eines triumphalistischen Berg-Bildes (mit den wiederholten Kran- und Flug-Aufnahmen, die mittlerweile auch schon zur Konvention gehören und manchmal fatal an Werbeaufnahmen erinnern, zumal wenn es eine, sagen wir’s ruhig, aufdringliche Musik dazu gibt), das Umeinander von Klischee und Hinterfragung: das alles mag, weiß der Himmel, nicht jedermanns Sache sein. »Messner« ist nicht gerade das, was Cineasten einen guten Film nennen könnten. Aber ein heimliches Vergnügen mit hier und da durchaus neuen Perspektiven auf einen Mann, der mehr ist als ein großer Bergsteiger und ein großer Selbstvermarkter. Und die klammheimliche Trauer, die der Film auslöst, hängt nicht nur mit dem verlustreichen Leben des Protagonisten zusammen, sondern auch damit, daß die Frage nicht einmal gestellt ist, was jetzt noch kommen kann. In dieser Mensch/Berg-Beziehung, die vollkommen absurd ist. Und auf sonderbare Weise schön.