Blick über die Grenzen
Der Jazz war seit je eine Musik der offenen Ohren, immer bereit, alle möglichen Schranken zu ignorieren, andere, fremde Stile und Genres nicht bloß einzuverleiben, sondern eigensinnig weiterzuspinnen. Das diesjährige Deutsche Jazzfestival blickt nun dezidiert über Grenzen hinweg und widmet Afrika einen kleinen Schwerpunkt. Zumindest beginnt und endet das vom Hessischen Rundfunk zum nunmehr 45. Mal veranstaltete Festival mit Musik des vergessenen Kontinents.
Der von Herbie Hancock geförderte Gitarrist Lionel Loueke aus Benin entwickelt mit der hr-Bigband unter der Leitung von Jim McNeely eine zeitgenössische Lesart der afrikanischen Musikkultur. Das Premierenprojekt »The Road to Jajouka«, das Jazzgrößen wie Billy Martin, John Medeski und Marc Ribot mit den altehrwürdigen Master Musicians of Jajouka verbindet, möchte dagegen eine über tausend Jahre alte Tradition zu neuem Leben erwecken: Dabei können, so liest man, »die uralten Rohrblattinstrumente der Jajoukas, die Ghaitas, im weitesten Sinne als Vorläufer des Saxofons verstanden werden«.
Das passt auch deshalb ganz gut, weil der Erfinder des Saxofons, Adolphe Sax, in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiert. Deep Schrott, ein reines Bass-Saxofon-Quartett, begeht das angemessen. Ansonsten verzichtet das Deutsche Jazzfestival diesmal auf ein ausgewiesenes Motto, bietet aber wie gewohnt je drei Sets an drei Tagen. Und erlaubt uns mit Nik Bärtschs Ronin am Samstag auch einen herausragenden Blick auf die Möglichkeiten des zeitgenössichen Jazz.