»Anna und die Apokalypse« von John McPhail

Zombiekomödie? Teenagerdrama? Horrormusical? Zwischen Rührung und Splatter kommt jede Emotion zu ihrem Recht, wenn in diesem auf Fantasy-Festivals gefeierten Crossover-Film ein junges Mädchen sich kurz vor Weihnachten und dem Ende der Schulzeit plötzlich in eine Schreckenswelt versetzt sieht.

Anna ist vielleicht noch genervter als bei Teenagern gemeinhin üblich. Sie will nach ihrem Schulabschluss nichts wie weg aus ihrer schottischen Kleinstadt und um die Welt reisen. Doch das passt weder ihrem besorgten Vater und Schul-Hausmeister, noch ihrem besten Freund John, der sich nicht traut, Anna seine Liebe zu gestehen. Und dann hat Anna, die ihrerseits klammheimlich für Schulrowdy Nick schwärmt, mit ihren Freunden Lisa und Chris auch noch täglich ein superverliebtes knutschendes Paar vor der Nase.
Jedenfalls ist Anna so absorbiert von ihren Problemen, dass sie nicht mitbekommt, wie alles zusammenbricht. Morgens, auf dem Weg zu Schule und die Stöpsel in den Ohren, singt sie sich selbst ein aufmunterndes Lied. Und übersieht völlig die Zeichen allgemeiner Verwüstung und die blutüberströmt umherschlurfenden Leute in ihrer Straße.
Einen ähnlich großartigen Moment totaler Ahnungslosigkeit erlebte man zuletzt in der Zombiekomödie »Shaun of the Dead«, deren verkaterter Held anfangs auch nichts kapiert. Der Clash zwischen Horror und Komödie ist ein schöne angelsächsische Tradition. Neu ist vielmehr, dass die Stilbrüche in diesem Crossover-Film noch ein bisschen waghalsiger sind, weil sie ohne jedes Augenzwinkern serviert werden. Hier wird jedes Genre mit komischen Ernst zelebriert: das Coming-of-Age-Drama, in dem gemobbt und gemeckert wird samt Schuldirektor, der keine Empathie für seine Schutzbefohlenen aufbringt. Auch der blutrünstige Zombiefilm kommt zu seinem Recht, wenn die Seuche Kumpel und Familienmitglieder zügig in Bestien verwandelt. Diese müssen mit Taschen, weihnachtlichen Deko-Zuckerstangen, Sprühzeug und so weiter in Schach gehalten, oder, besser noch, geköpft werden, damit sie einen nicht in Stücke reißen oder auch nur anknabbern und somit infizieren können. Die Songs wiederum, die von den Teenagern und sogar von ihren gebissenen Anverwandten während ihrer Zombie-Metamorphose intoniert werden, sind ergreifend. Wenn Nick voll sadistischer Lust mit dem Baseballschläger singend auf eine untote weibliche Volleyballmannschaft losgeht, wird der Kontrast unerbittlich auf die Spitze getrieben.
Die Komik, die durch den Abgrund zwischen Weltschmerz, Splatter und Rührung, zwischen dem Wunsch, endlich aus der grauen Kleinstadt abhauen zu können, und der tatsächlich unvermeidlichen Flucht, entsteht, ist jedenfalls von tiefschwarzer Qualität.  Und wenn Indie-Regisseur McPhail entgegen der Genreformeln dem Zuschauer auch noch das »Hollywood-Ending« und die Guten, Anständigen, opfert, vermittelt er das erhebende Gefühl, dass hier jemand genau weiß, was er tut.

Birgit Roschy
ANNA UND DIE APOKALYPSE
von John McPhail, GB/USA 2017, 92 Min.
mit Ella Hunt, Malcolm Cumming, Sarah Swire, Christopher Leveaux, Ben Wiggins, Marli Siu
Musical/Komödie
Start: 06.12.2018

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