Als Tempel der ökonomischen Rationalität haben Geldinstitute vielleicht früher mal gegolten. Mystischer als dort geht es wohl auch bei Geisterbeschwörungen nicht zu. Dass sich die DZ-Bank anlässlich des 25-jährigen Jubiläums ihrer der zeitgenössischen Fotografie gewidmeten Kunstsammlung auf die Zahl besinnt, muss folglich nicht wundern. Bei mehr als 1.000 der dort gelagerten 7.500 Kunstwerke spielt die Zahl eine wichtige Rolle, fand die Leiterin des Art Foyers der DZ-Bank, Christina Leber, heraus. »Die Zahl als Chiffre in der Kunst« lautet das rund 50 Arbeiten von 20 Künstlern umfassende Ergebnis der Recherche. Die Schau ist auf fünf Themen beschränkt: a) Fibonacci/der Goldene Schnitt, b) die Vermessung der Welt, c) Spiritualität/ Zahlenmystik, d) Handel und e) Digitalität.
So lässt sich, Zahl sei Dank, einiges lernen im 1. Stock des Gebäudes am Platz der Republik. Etwa, dass die Ziffer Null erst im 13. Jahrhundert – aus Indien kommend – Zugang in unser abendländisches rechnerisches Denken fand oder Leonardo Fibonacci im Jahr 1201 am Beispiel der Kaninchenzucht die unser ästhetisches Empfinden grundierende »göttliche Zahlenfolge« (1+1+2+3+5+8+13) entwickelte, verhalten die Zahlen sich doch zueinander wie die räumlichen Proportionen des Goldenen Schnitts. Sie finden sich immer wieder in der Natur, vom Blütenkelch der Tulpe über die Sonnenblume bis zum Spiralnebel im All oder auch dem Schneckenhaus, dem sich Timm Ulrichs neunteilige Fotoserie »Blaues Wunder II« widmet. Wer dieser in der Leseroutine folgt, sieht, wie sich Weinbergschnecken in blaugestrichenen Häusern zu einem akkuraten Quadrat gruppieren. Der Blick auf die Form könnte auch der des Laubenvogels sein, der Ullrich inspirierte. Eine blaugefiederte Art des australischen Sperlingvogels bringt in der Balzzeit vornehmlich blaue Gegenstände in exakte geometrische Ordnungen.
Simpel und zugleich betörend sind die Sterne-Arrangements von Ignacio Uriarte. Gefertigt hat er sie mit Mess-Lernmitteln, die wir aus der Schule kennen: aus plexigläsernen Linealen, Dreiecken und Winkelmessern. Das Pendant zur konzeptionellen Bürokunst des Spaniers ist Imi Körbels Universum-Komplex aus 54 Teilen. In die aus Illustrierten erfotografierte überwältigende Sternenlandschaft hat der Künstler für seine Tochter Olga Lina einen Minieinstich gepikst. Wer mehr sehen will, sollte davon absehen, ihn zu suchen.
Aussichtsreicher ist das Rätsel von Miguel Rothschild zu lösen. Was macht das Konfetti unter dem Rosenfenster der Notre Dame? Die vom Auge ignorierten Ausstanzungen des Künstlers zeigen sich beim Nähertreten. Anders irritierend ist Timm Rauterts ironisches Tableau »Sold. New York«, das die irren Preise der versteigerten Objekte der noch immer erfolgreichsten Pop-Art-Auktion 2014 bei Christies thematisiert. Unter anderem sind auch John Baldessari, Tamara Grcic, Andreas Gursky, Robert Longo, Mario Merz und Thomas Ruff vertreten. Von Martin Parr stammt das Bild zweier von Hand gehaltener Waffelhörnchen mit mutmaßlichem Vanilleeis. Es symbolisiert das 25-jährige Jubiläum der Kunstsammlung.