An Aufmachung und Ausstattung kann es nicht liegen. Ray Celestin und sein »Höllenjazz in New Orleans« kommt hochwertig daher, ist mit 512 Seiten eine Wuchtbrumme an Buch, aber von der Krimikritik besprochen wurde es seit Erscheinungsdatum 1. März so gut wie nicht. 2014 hatte es dafür in England den John Creasey (New Blood) Dagger der britischen Crime Writer’s Association (CWA) für Best First Novel gegeben, »The Axeman’s Jazz« stand auf den Bestsellerlisten. Vielleicht liegt im Jahr von »Berlin Babylon« der Sündenpfuhl New Orleans Babylon zu weit weg. Keine Ahnung. In einem Markt, der an Überflutung leidet, gehören solche im Insiderjargon Robbenbabies genannten Schicksale wohl dazu. Dabei ist dies hier gewiss nicht das schlechteste Buch der Saison.
Der Brite Ray Celestin hat ausgiebig recherchiert. Den Axeman von New Orleans gab es wirklich – Julie Smith hat in den 1990ern das Material bereits einmal genutzt -, zwischen Mai 1918 und Oktober 1919 ermordete er ein Dutzend Menschen, hatte 1911 bereits zugeschlagen. Er kam nachts, durch die Hintertür, drang in die Schlafzimmer ein, attackierte mit einer Axt. In der Stadt des Aberglaubens und des Voodoo wucherten Theorien, Ängste und Gerüchte, zumal der Serienmörder sich in einem Bekennerschreiben einmal wie ein übernatürliches Wesen beschrieb und als Absender »from hell« (aus der Hölle) angab. Er wurde nie gefasst.
Ray Celestine lässt dreigleisig ermitteln. Da gibt es den Polizisten Michael Talbot, ferner die neunzehnjährige Ida Davis, Sekretärin bei der Pinkertons Detektivagentur und beste Freundin von Louis Armstrong, sowie den gerade aus dem Gefängnis gekommenen Ex-Polizisten und Mafioso Luca d’Andrea. Louis Armstrong gibt Gastauftritte als junger Hornist. Celestines multinationales New Orleans, ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg, ist ein, wie Amis sagen, ›truly nasty place‹: Korruption, Rassismus, organisiertes Verbrechen und die neue schwarze Musik von Jazz & Blues. Viele der hier gespielten Noten sind schönes Noir. Die Erwähnung eines gewissen Alphonse Capone im Epilog deutet auf eine Fortsetzung. »Dead Man’s Blues« führt Talbot, Ida und Armstrong in Al Capones Chicago der 1920er. Dies gibt es, hoffen wir, irgendwann auch auf Deutsch.