Die ganze Welt ist eine Bühne
Aller Anfang ist schwer. Das hat selbst Gott erfahren müssen. Zwar gehen die Erschaffung des Himmels, der Sterne, der Meere, jwie auch der Tiere und Pflanzen laut Bibel ohne weitere Probleme vonstatten. Mit Adam und Eva aber beginnt der Ärger über die Kontingenz der Welt. Mit der Erschaffung des Menschen wird die Schöpfungsgeschichte, die Genesis, zu einem einzigen Trial-&-Error-Verfahren, bei dem Gott immer wieder eingreifen musst in den Lauf der Dinge und stets aufs Neue über sein eigenes Werk erschrickt.
Rund 1.600 Jahre nachdem er Adam und Eva des Paradieses verwiesen hat und die Erdbevölkerung auf auf rund 120.000 Menschen angewachsen ist, setzt Gott sogar zum Neustart an und tritt die Sintflut los – mit keineswegs besserem Ergebnis. »Gott macht die Erfahrung, die jeder Theaterregisseur kennt: Sobald er seine Darsteller in die von ihm geformten Rollen entlässt, gewinnt seine Inszenierung ein Eigenleben, das er nicht mehr beeinflussen kann«, ist Theatermacher Willy Praml fasziniert von der Vorlage für seine neue Produktion. Dass die ganze Welt zur Bühne wird, folgt dabei durchaus den Einsichten von Shakespeare.
Für die Entscheidung, das Erste Buch Mose, die Genesis, auf den Spielplan zu setzen, gibt es Praml zufolge keinen singulären Grund, nicht mal eine spezifische Idee. Manchmal drängten sich Themen einfach von selber auf und ließen einem gar keine Wahl, meint er, zumal es sein vor 25 Jahren gegründetes Ensemble von jeher mit den großen Geschichten hält und dafür bekannt ist, in der tempelgleichen Spielstätte Naxos-Halle (und anderswo) mächtige epische Stoffe in nachhaltige Bilder und Sätze zu kleiden. Man denke nur an die »Hyperion«-Aufführung, an den »Jedermann« oder auch an die raumgreifende Heine-Inszenierung in der Frankfurter Innenstadt vor zwei Jahren.
Die Genesis ist indes mehr als nur eine große Geschichte. Im aktuellen politischen Kontext, auf den sich Theater gerade mit seinem bundesweit beachteten dreisprachigen Flüchtigen-Projekt »Das Erdbeben in Chili« (Heinrich von Kleist) bezog (Strandgut 7/2016), hat der Blick auf die gemeinsame Wurzel der drei großen monotheistischen Weltreligionen fraglos auch gesellschaftliche Relevanz.
Praml sieht die Bibel als eine in weit mehr als 1.000 Jahren von vielen Autoren erstellte, vielfach redigierte und heterogene Grundlegung des auf einen einzigen Gott gerichteten Glaubens. Was in religiöser Hinsicht zur Heiligen Schrift geworden sei, stelle säkular betrachtet die Menscheitsgeschichte in einer komprimierten Textsammlung vor. »Wir werden weder die Gründung Israels nacherzählen, noch die Religionen erklären, sondern lediglich zeigen, dass wir keineswegs schlauer sind als dieses sich allen Fundamentalismen sperrende tiefe und lesenswerte Werk«, betont Willy Praml.
Fragen wie die, was es den Menschen jeweils gebracht hat (und bringt), einen einzigen Gott zu inthronisieren, stellten sich dabei ganz von selbst. Ob das mit dem Monotheismus wirklich das Passende sei, hinterfrage schließlich der Katholizismus selbst mit seinen vielen Heiligen, fügt der in Landshut aufgewachsene einstige Messdiener und Klosterschüler an.
Mit zwölf Darstellern, darunter zwei Mitwirkenden des jüngsten Fluchtprojekts, sind vier Stunden Spieldauer anvisiert. »Alles hat seine Zeit«, ließe sich dazu ein die Bibel (Johannes) zitierendes Werk des Norwegers Karl Ove Knausgard kommentieren, das ebenso wie die Gott-Biografie von Jack Miles wesentliche Gedanken zur Inszenierung beigesteuert hat.