Ausblick Theater Willy Praml: »Goethe. Iphigenie«

Von Tauris nach Naxos

Wir sind auf der Skytheninsel Tauris, der heutigen Krim. Wer hier vom Schicksal an die Ufer gespült wird, ist dem Opfertod geweiht. Fremde sind ganz und gar nicht willkommen. Die Agamemnon-Tochter Iphihenie aber, der es als Priesterin des Diana-Tempels obliegt, die Hinrichtungen zu vollziehen, weigert sich. Sie hält das ihr heilige griechische Gastrecht hoch und macht ihren göttlichen Ort zur Schutzzone der Gestrandeten. Im Konflikt mit dem Herrscher Thoas, dem König der Skythen, verlässt sich Iphihenie ganz auf die Argumente der Menschlichkeit. Und siegt.
Angst vor Fremden, Hass, Flucht, Asyl, Werte, Leitkultur: Johann Wolfgang Goethes vor mehr als 200 Jahren verfasster Klassiker »Iphigenie auf Tauris« sollte eigentlich das Stück der Stunde sein. Und ist es auch für das Frankfurter Theater Willy Praml. In der Naxoshalle, der Spielstätte des Ensembles, stellt der Regie führende Intendant diesem Stoff die Frage voran: »Kann Humanität den Schrecken dieser Erde überwinden?«. Es gehe um Leben und Tod in diesem Stück und sei doch der einzige Klassiker, in dem es keine Toten gebe – dafür aber ein wundersames Ende, so Praml, durch den »Zauber einer Frau«.
Während Praml eng der textlichen Vorlage folgen will, verleiht er der Besetzung mit nur drei Schauspielern und einem Kinderchor eine eigene Note. Neben Birgit Heuser in der Rolle der Iphigenie verkörpern Michael Weber und Jakob Gail die scheinbar gegensätzlichen Seiten der Männerwelt: Sie spielen den Barbaren Thoas und seinen Helfer Arkas sowie deren vermeintlich zivilisierten Gegenparts Orest und Pylades. Die jungen Helmholtz-Schüler seien damit betraut, das Ritual der Blutrache spielerisch umzusetzen, verrät Praml.
Ein theatergeschichtliches Kuriosum zeigt die Bühne: Hier werde das erhaltene Hauptportal des im Zweiten Weltkrieg ausgebombten Frankfurter Schauspielhauses (siehe Foto) als Tempel der Diana fungieren. Das Teil stand Jahrzehnte lang in einem Lager des Philipp-Holzmann-Konzerns und landete nach dessen Insolvenz 2002 bei Praml. Auf Naxos.

gt (Hauptportal des ehemaligen, 1944 zerstörten Frankfurter Schauspielhauses, © Seweryn Zelazny)
Termine 19., 26., 27., Februar, 20 Uhr; 21., 28. Februar, 19 Uhr
www.theater-willypraml.de

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