Man muss kein Fußballfan sein, um diesen Film zu mögen. Aber zu wissen, dass der Ball rund ist, ein Spiel 90 Minuten dauert, nach dem Spiel vor dem Spiel und das Maracanã in Rio de Janeiro das größte Stadion der Welt ist, das kann nicht schaden. Die Ausgangsidee von Jorge Gurvichs Film ist ein fast klassisches Familien-Road Movie.
Roberto (Asaf Goldstein) ist ein Koch und Geschäftsmann, dem das meiste im Leben gründlich schiefgegangen ist, neben den Geschäfts-ideen auch die Ehe. Jetzt wohnt er wieder bei seinem Vater, in dessen kleiner Wohnung in Tel Aviv. Und nun soll Roberto seinen elfjährigen Sohn Itay (Rom Barnea) für eine längere Zeit bei sich aufnehmen, weil seine Frau, kurz vor der Scheidung, mit ihrem (deutschen) Chef und neuen Geliebten verreisen will.
Itay hasst Fußball, und für seinen glücklosen Vater hat er auch nicht viel übrig. Sein Großvater Samuel (Antônio Petrin) aber ist ein großer Fußballfan und fiebert, wie beinahe alle Brasilianer auf der Welt, und natürlich auch Roberto, der Weltmeisterschaft in Brasilien entgegen. Da muss Samuel erfahren, dass sein Leben nur noch durch eine rasche Operation gerettet werden könnte.
Keine Sorge, sagt die Sprechstundenhilfe, mein Vater, Gott hab’ ihn selig, hat diese Operation auch machen lassen. Der Termin dafür wäre ausgerechnet der Tag des Endspiels. Samuel verschweigt seinen gesundheitlichen Zustand und macht sich zusammen mit seinem Sohn und seinem Enkel auf, um in der ursprünglichen Heimat das Endspiel im Stadion aller Fußballträume zu erleben. Zuvor fährt man mit einem Wohnmobil durch das Land und besucht den in Brasilien gebliebenen Teil der Familie. Dass da noch ein finsteres Geheimnis zu klären ist, wird recht bald klar. Und ebenso, dass es für Roberto und Itay irgendwie einen Neuanfang geben wird. Fußball hin oder her.
Es ist ein idealer Stoff, das Tragische mit dem Komischen, das Individuelle mit dem Allgemeinen zu verbinden, und natürlich auch das Ironische mit dem Sentimentalen. Da werden historisch-politische ebenso wie biographische Konflikte in Gesprächen über Fußball verborgen, das Leben selbst in Fußballdaten erinnert, und das Motto über allem stammt vom Urgroßvater: »Solange ein Ball da ist, wird gespielt«.
Zu den Aufgaben der Söhne in dieser Familie gehört es, die wichtigsten Fußballergebnisse und Mannschaftsaufstellungen am Grab der Väter zu referieren. Aber weder wird es so einfach sein, eine solche magische Familiengeschichte aufrecht zu erhalten, noch ist es einfach, das Stadion zu rechten Zeit und mit den richtigen Eintrittskarten zu erreichen.
Zu alledem trifft Itay in Rio auch auf seine Mutter und ihren neuen Partner, der die beiden mit nach Deutschland nehmen will. Auch die Familienaufteilung muss daher, mehr oder weniger dramatisch und mehr oder weniger im Fußball-Kontext, geklärt werden.
In den ziemlich sonnendurchfluteten Bildern (nicht dass dekorativer Regen fehlen würde) wird gelegentlich die Grenze vom Feelgood-Movie zur Seifenoper überschritten, von dort zum Tearjerker und wieder zurück.
Aber das Unaufgeregte der Erzählung, die Bewegungsmelodie (die sich folgerichtig in einem VW-Bus-Camper mit Brasilien-Fahne und an Orten realisiert, die nur wenig von den Spannungen und Gefährdungen des Landes wiedergeben), die Sympathie mit den handelnden Figuren, der dezente, aber wirkungsvolle Einsatz der Musik und die Randepisoden, in denen ein kleines mobiles Restaurant aufgemacht wird, um die Reisekasse aufzubessern, und Itay ein zögerliches Interesse für Fußball entwickelt, machen »Back to Maracanã« zu einem verlässlich warmherzigen Vertreter seines Genres. Man hat nun eben Personen auf einem Stück ihrer Lebensreise begleitet, die über den Verlust von Menschen, aber auch über den Verlust von Legenden hinwegkommen werden. Und über den Ausgang eines (aus brasilianischer Sicht) desaströsen Halbfinales ohnehin.
Wie bei den meisten Road Movies geht es also um geplatzte Lebens-träume, verschüttete Gefühle und um das Erwachsenwerden, um einen kompositorischen Gleichklang von Empfindungen, Landschaften, Bewegungen und Musik, um die Suche nach Heimat und die Erfahrung der Fremde, um den Zauber von Orten, den man nur erkennt, wenn man auf der Durchreise ist, und um den Tod.
Jorge Gurvich ist ein Spezialist für melancholische Beziehungs-, Reise- und Erinnerungsgeschichten zwischen Israel und den Ländern, aus denen Menschen stammen, die in Jerusalem oder Tel Aviv ein neues Leben begründen. In »Mrs. Moskowitz and the Cats« (2009), nebenbei, spielte Fußball auch schon eine motivische Rolle, und in nahezu allen seinen Filmen geht es um ein Flirren zwischen den Identitäten und die Suche nach dem Verbindenden. Um Verlusterfahrungen und Versöhnungsmöglichkeiten in einem Kino, das persönliche Intimität und Weltläufigkeit miteinander verbindet. Das bringt es mit sich, dass der Blick nicht so sehr kritisch-analytisch ist, sondern freundlich und mitfühlend. Schließlich muss es auch im Kino nicht nur Verzweiflung geben.