Borga heißt in Ghana jemand, der es in Europa zu Wohlstand gebracht hat. Ein europäisierter Afrikaner also und somit ein Vorbild für manch kleinen Jungen, der in den Armutsquartieren der Hauptstadt Accra lebt. Aber ein Borga verliert auch die Lebensfreude seiner Heimat, den Zusammenhalt der Familie und oft auch die Akzeptanz der Seinen. Davon erzählt der erste Spielfilm von York-Fabian Raabe.
Kojo (Emmanuel Affadzi) und sein älterer Bruder Kofi (Jamal Baba) wachsen am Rande der Elektroschrott-Halde Agbogbloshi in Ghanas Hauptstadt Accar auf. Dort landen Computer, Fernseher und all die Geräte des technischen Fortschritts, die wir in Europa nicht mehr gebrauchen können.
In seiner Familie sind die Aufgaben fest verteilt: Sein älterer Bruder Kofi soll in die Fußstapfen des Vaters (Adjetey Anang) treten, der den Schrotthandel im kleinen Stil betreibt. Kojo soll in der Schule lesen und schreiben lernen. Dass er von einem Lehrer, der ein Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft trägt, auch ein wenig Deutsch mitbekommt, scheint eine ausgemachte Sache zu sein.
Zehn Jahre später landet der herangewachsene Kojo (Eugene Boateng) Kojo mit einem Containerschiff in Mannheim, wo sich die afrikanische Community als überhaupt nicht aufnahmebereit erweist. Nur für Unterkunft und Verpflegung bekommt er eine Hilfsjob bei dem zwielichtigen Schrotthändler Bo (Ibrahima Sanogo).
Kojo findet unter den eingewanderten Afrikanern ebenso viel Ablehnung und Unterstützung wie in der hiesigen kriminellen Szene, in der er zum Import-Export-Geschäftsmann aufsteigt.
Von Bo mit blauem Anzug, weißem Hemd und roter Seidenkrawatte ausgestattet, lernt er die ältere Lina, die von Christiane Paul gespielt wird, kennen und im Handumdrehen lieben.
Er wird nach Accra geschickt, wo er er als feiner Herr im Hotel Kempinski wohnt. Aber nur sein Neffe bewundert ihn.Sein Bruder Kofi (Jude Arnold Kurankyi) macht ihm Vorwürfe: Der Vater ist in Kojos Abwesenheit verunglückt und, weil er im Krankenhaus aus Geldmangel nicht behandelt wurde, an seinen Verletzungen gestorben. Nur die Mutter (Lydia Forson) weint vor Freude, als sie Kojo in ihre Arme schließt.
Doch Kojos Höhenflug ist nicht von Dauer. Zurück nach Deutschland schmuggelt er Drogen. Weil Lina mitbekommt, dass er noch immer mit falschem Pass unterwegs ist, verliert er mit ihr auch den einzigen Menschen in Deutschland, der ihn akzeptiert hat.
Bemerkenswert ist der authentisch wirkende Blickwinkel, den der Filmemacher einnimmt. Schließlich handelt es sich bei ihm um einen in Kassel geborenen Deutschen. Er hat zuvor zwei kurze Dokumentarfilme in Afrika gedreht: »Zwischen Himmel und Erde« in den Townships von Johannesburg und in Accra »Sodoms Kinder«, eine Vorstufe zu »Borga«. Mit der gewonnenen Empathie erzählt er jetzt aus afrikanische Sicht. Formal eher dem deutschen Film verpflichtet, bildet »Borga« eine Brücke von Afrika zu uns. Und das so überzeugend, dass beim Saarbrücker »Max Ophüls Preis« neben dem Publikumspreis gleich drei weitere Preise heraussprangen.
Claus Wecker (Foto: © Chromosom Film GmbH)
BORGA
Drama von York-Fabian Raabe, GH/D 2021,
107 Min., mit Eugene Boateng, Christiane Paul, Jude Arnold Kurankyi,
Start: 28.10.2021