Nähe und Distanz
Der französische Fotojournalist Bruno Barbey, der unter anderem für »Life«, »Vogue«, »Stern« und »National Geographic« arbeitet, ist einer jener besonderen Bildautoren, die sich ganz selbstverständlich als Fotojournalist, aber auch als Künstler verstehen. An dieser feinen Grenze entsteht bis heute Erstaunliches, wissen auch die Ausstellungsmacher im Fotografie Forum Frankfurt, die derzeit etwa 100 Schwarzweiß- und Farbfotografien von ihm in einer Retrospektive präsentieren.
Barbey ist seit Dekaden schon in der ganzen Welt unterwegs. Er war da, wenn die Welt gebannt auf Krisenherde blickte: Er fotografierte den Sechstagekrieg im Nahen Osten, genauso wie den Vietnamkrieg, den Pariser Mai 1968, die Roten Khmer in Kambodscha, die Solidarnosc-Bewegung in Polen oder auch den Irak-Krieg Anfang der 1990er-Jahre. Doch hat sich der 1941 geborene Barbey, der seit vielen Jahren Mitglied der Agentur »Magnum Photos« ist, nie als Kriegsfotograf verstanden.
Was seine Bilder feinsinnig macht, ist die Mischung aus Nähe und Distanz, sein Sinn für die Schönheit – und auch für die Vergänglichkeit. Die nun in Kooperation mit dem »Maison européenne de la photographie« in Paris kuratierte Schau – dort war im letzten Jahr eine große Retrospektive zu sehen – präsentiert zum Teil sehr bekannte Bilder, etwa das brennende Ölfeld in Kuwait aus dem Jahr 1991 – oder auch jenes, das eine Frau auf der Brücke über den Bosporus in Istanbul zeigt.
Als »Chronist der Wunden einer verletzlichen Welt« wurde er einmal bezeichnet. Und es stimmt ja: Die Ausstellung versammelt zum Teil apokalyptische Bilder von Kriegen und Katastrophen. Doch es gibt auch andere Arbeiten: Jene etwa, die Barbey in den 1950er und 1960er Jahren in Italien fotografiert hat – Straßenfotografien etwa, die zu den besten überhaupt gehören, wunderbare Porträts aus einer anderen Zeit.
Von dort bis heute, bis in die Tage des asiatischen Turbokapitalismus, reicht die Bilderwelt des 1941 in Marokko geborenen und heute in Paris lebenden Barbey, der sich nie zwischen Schwarzweiß und Farbe entscheiden wollte. Aus manchen seiner wunderbar farbintensiven Bilder – das sehen wir jetzt in Frankfurt – spricht eine sehr poetische Weltsicht, wie etwa auch seine in Marokko entstandenen Fotografien verdeutlichen, die zumeist ganz frei von jeder Folklore bleiben und sich auf das Wesentliche konzentrieren. »In Marokko«, so Bruno Barbey, »begegnen sich Kulturen und Zivilisationen in einer schier unwirklich anmutenden Mischung, in der die Zivilisation der Omajaden ebenso wie andalusische Einflüsse, die Traditionen der Berber und das Judentum eine Rolle spielen.«
Jenes Wesentliche ist bei Barbey meistens der Mensch. »Passages«, sagt Celina Lunsford, die Leiterin des Fotografie Forums, über den Titel der Schau, »bedeutet, von einem Ort zum anderen zu gehen, sich von einem Geschehen zu einem anderen zu bewegen … was natürlich sehr mit Barbeys Leben und dem Leben als Fotograf zu tun hat.« Wer diese Ausstellung verpassen sollte, dem seien seine maßgeblichen Bildbände wärmstens an Herz gelegt. »Les Italiens«, »Maroc« und auch »Passages« sind vollendete Fotobücher.