Das einzige Festival des kubanischen Films in Deutschland ist jetzt volljährig geworden. Im achtzehnten Jahr gibt es in Höchst die Gelegenheit, sich über neue Tendenzen im kubanischen Kino zu informieren, und zwar an Hand deutscher und europäischer Erstaufführungen. In über vierzig Spielfilmen, Dokumentar- und Kurzfilmen kann man sich von der Vielfalt der dortigen Produktionen überzeugen und dabei einen Eindruck von den gesellschaftlichen Entwicklungen in Kuba gewinnen.
Vor zwanzig Jahren brachte die intelligente Tragikomödie »Erdbeer und Schokolade« das Thema Homosexualität auf die kubanischen Leinwände. Nach seiner Aufführung im Wettbewerb der Berlinale 1994 lief der Film auch hierzulande erfolgreich in den Kinos. In dessen Nachfolge steht »Verde verde«, der neue Film des Altmeisters Enrique Pineda Barnet, der allerdings mehr an Fassbinders Genet-Verfilmung »Querelle« erinnert. Homosexualität spielt auch eine wichtige Rolle in der Familientragödie »Chamaco« von Juan Carlos Cremata, die in Anwesenheit des profilierten Avantgarde-Regisseurs zur Eröffnung des Filmfestes am 23. Mai gezeigt wird. Am selben Tag läuft »En el cuerpo equivocado« von Marilyn Solaya, die Dokumentation einer Geschlechtsumwandlung.
Schwerpunktthema ist in diesem Jahr »der weibliche Blick – Frauen und Film auf Cuba«, wie es in der Ankündigung heißt. »Thematisierte die kubanische Filmproduktion seit ihren Anfängen zwar die Situation der Frau in der kubanischen Gesellschaft, so waren Frauen doch durchweg bei der Regiearbeit unterrepräsentiert. Ihnen waren lediglich die klassischen Frauenberufe der Filmbranche wie Schauspielerin, Cutterin, Maskenbildnerin etc. vorbehalten.«
Die aktuellen Filme beschäftigen sich mit der sozialen Situation der Frauen wie »Buscandote Habana« von Alina Rodriguez, der Sexualpolitik und der sexuelle Diversität wie »Sexualidad, un derecho a la vida« von Lisette Vila oder dem Leben im Exil wie »The Illusion« von Susanna Barriga und die Filme von Heidi Hassan (»Tierra Roja«, »Tormentas de verano«), die mit ihrem subjektiven Stil visuell beeindruckt. Von Sara Gomez begonnen, setzt sich nun Gloria Rolando mit der afrokubanischen Kultur auseinander. Im letzten Jahr waren die beiden ersten Teile ihrer Dokumentation über die Partei der Schwarzen in Cuba, »1912 I und II«, zu sehen. In diesem Jahr ist nun der dritte Teil fertiggestellt, der in einer Europapremiere präsentiert werden soll.
Einen Einblick in den Alltag der kubanischen Landbevölkerung geben die Dokumentarfilme der Filmproduktion »Televisión Serrana«, die zum zwanzigjährigen Bestehen des Senders gezeigt werden. Aufschlüsse über die Zukunft des kubanischen Films könnte zudem eine Auswahl von Hochschulfilmen geben.