Das English Theatre zeigt die märchenhaft furiose Komödie »Now And Then« noch bis 17. Juli

Es beginnt damit, dass ein kahler hagerer Mann der 60-plus-Generation (Mark Pinkosh) im Jeans-Look kurz vor der Sperrstunde einen Irish-Pub in Chicago betritt und den Barkeeper Jamie (Oliver Nazareth Aston) dazu bringt, ihm noch einen schnellen Drink zu verkaufen. Ein Spieleautomat, eine Musikbox, ein Klavier und irische Devotionalien inklusive Dart-Scheibe und Bilder von Wilde, Joyce & Co. schmücken das »Mulligan«. Ganz offensichtlich hat der späte Gast Redebedarf und schafft es auf wundersame Weise, dem jungen Barista zu entlocken, was er eigentlich vom Leben will – Musik machen nämlich, statt Thekendienst. Und nicht nur Jamie, auch seine Freundin Abby (Annabelle Terry), die ihn abholen will, verrät dem Fremden in der Nacht, dass sie eigentlich Lehrerin werden wollte und nicht im IHOP-Diner kellnern. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so: Wir leben in den Reaganomics der frühen Achtziger. Es herrscht Rezession in den Staaten und die Menschen sind empfänglich für Angebote. Insbesondere, wenn ihnen für ein vorgeblich zwangloses Plauderstündchen erst hundert, dann zweihundert, dann tausend Dollar für jeden in Aussicht stehen. Strange, stranger, am strangesten.
Das ist der Boden, auf dem der US-Autor Sean Grennan seine als magisch-romantisch angekündigte Komödie »Now and Then« ins Laufen bringt, die fünf Jahre nach der Uraufführung nun im English Theatre ihre Deutschland-Premiere erlebt. Überall steht zu lesen, dass man das nicht weiter ausbreiten soll. Vermeiden lässt es sich allerdings nicht.
Imme klarer wird dem im Übrigen verliebten Pärchen, dass irgendwas nicht stimmt mit dem Stranger. Jamie wird das zu unheimlich und will ihn samt der Kohle loswerden, seine sensible und sehr viel wachere Freundin dagegen gewährt diesem eine letzte Bitte und willigt in einen Tanz ein, der sie – twilight großartig in Szene gesetzt – riechen, fühlen und spüren lässt, wer ihr da wirklich begegnet. Und wer da unmittelbar zur Pause die Kneipe mit einem lauten und irren »Asshole« auf der Lippe den Gatten aufgespürt hat (Bryonie Pritchard).
Es geht um Verantwortung und Mut zu Entscheidungen in diesem Stück, um Schicksal und Vorsehung, und auch um das Timing nicht nur im obligaten Musikerwitz. Der vom Autor mit viel Witz, feinen Pointen und immer wieder neuen, überraschenden Wendungen komponierte Ablauf ist einem exzellenten Ensemble anvertraut, das in der Regie von Natasha Rickman die nicht eben unkomplizierte Geschichte über alle Turbulenzen hinweg in gut zwei Stunden inklusive Pause in den sicheren Hafen steuert. Das ist denn auch die einzige Hürde, die es zu nehmen gilt: Man sollte schon gut hinhören können, zumal sich so manches erst im Rückblick ganz offenbart. Allen Spoiler-Vorbehalten zum Trotz ist es aber auch eine Inszenierung, die einen zweiten Besuch doppelt lohnend macht. Nichts wie auf zum ersten.

Winnie Geipert / Foto: © Kaufhold
Bis 17. Juli, Di.–Sa. 10.30 Uhr, So. 18 Uhr
www.english-theatre.de

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