Städel Frankfurt: Emil-Nolde-Retrospektive

Emil Nolde: Das heilige Feuer (Foto: Städel Frankfurt)Verfemt und verbrämt

Städel Frankfurt: Emil-Nolde-Retrospektive lenkt das Interesse auf die politische Haltung des Malers

Max Hollein, der Primus unter den Frankfurter Museumsdirektoren, hat sich für das Frühjahr in zwei der drei von ihm geführten Häuser (Schirn, Städel, Liebieghaus), ganz offensichtlich das Motiv Entzauberung auf die Fahne geschrieben. Nachdem die Kunsthalle Schirn (bis 1. Juni noch!) eindrucksvoll das verklärte Leben der Bohème auf den Nenner eines (extrem produktiven) Elendsquartiers Montmartre bringt, fokussiert die Retrospektive Emil Nolde des Städel wie keine zuvor die politische Haltung des Künstlers und deren Einfluss auf sein Schaffen.

Der zumindest quantitativ entartetste deutsche Maler – von keinem wurden mehr Werke aus Museen beschlagnahmt (1.052), von keinem mehr auf der berüchtigten Münchner Ausstellung 1938 gezeigt (33) – war ein glühender Anhänger der Nationalsozialisten und schreckte, so ist zu erfahren, auch vor Denunziationen nicht zurück. »Meine Kunst ist deutsch, stark, herb und innig«, schrieb der entgeisterte, bereits 71 Jahre alte Mann 1938 an Joseph Goebbels. Vom Widerständler und Verfemten, als welcher Nolde es an die Wände der Kanzlerbüros von Helmut Schmidt und Angela Merkel sowie in Siegfried Lenz‘ Deutschstunde schaffte, lässt das Städel nicht viel mehr als einen Widerständler wider Willen übrig. Der Frankfurter Kurator Felix Krämer meinte zur Eröffnung der Schau sinngemäß, dass Noldes künstlerische Sprache sein Denken desavouiert habe.

Allerdings hat in den 40er Jahren Noldes Denken auch seine künstlerische Sprache gelenkt, die Hinwendung zur seriellen Produktion von Blumenaquarellen, die ihm trotz Berufs- und Verkaufsverbots (1941) ein stattliches Auskommen in der Kriegszeit gesichert haben soll, wird hier demonstrativ in Petersburger Hängung präsentiert: eine Blümchentapete, die ans kitschige reicht und die man auch als deftige Ohrfeige interpretieren kann.

Die mit 140 Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen ausgestattete Ausstellung lässt selbstverständlich den klassischen »Farbenmagier« nicht aus, der Blumen und Landschaften zu unnachahmlichen Farbexplosionen brachte. Sie dokumentiert die Ergebnisse seiner Südseeexkursion, inklusive eines fürchterliches Russen-Bildes, das er auf dem Rückweg malte, und würdigt auch die neunteilige Bilderfolge »Das Leben Christi«, der in der Münchner Propagandaschau die größte Aufmerksamkeit galt, auch die von Goebbels, wie ein beigeselltes Foto belegt.

Weniger bekannt – aber wunderschön – ist die frühe stimmungsvolle Dünenlandschaft, die Nolde flächig in fahlen Sandgelb- und Blassblautönen anlegte und auf die der erste Blick des Ausstellungsbesuchers fällt: »Lichte Meeresstimmung« (1901). Neben zwei weiteren Motiven aus der Schule des Impressionismus ist dem Gemälde die völlig konträre erste Ölfarbenarbeit des Künstlers von 1897 beigesellt: die Groteske »Bergriesen«, die überproportionierte Männer mit Grobgesichtern im Waschzuber zum Besten gibt. Nolde hatte sich mit dieser comicartigen Arbeit für eine Ausstellung beworben und wurde abgelehnt.

Lorenz Gatt
Bis 15. Juni: Di.–So: 10–18 Uhr; Do., Fr. bis 21 Uhr
www.staedelmuseum.de

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