Sein Kollege Colm Toibin nannte das Buch »eines der großen irischen Meisterstücke des Jahrhunderts«, zu Recht. Eugene McCabe starb 2020 im Alter von neunzig Jahren .Als Autor von Theaterstücken und Fernsehspielen wurde er bekannt, als Autor des Romans »Tod und Nachtigallen« wurde er berühmt. Der Göttinger Steidl Verlag bemüht sich, ihn auch bei uns bekannt zu machen. In einem zweiten Anlauf legt er jetzt wieder diesen »Klassiker unserer Zeit« (Toibin) vor. McCabes Werk ist immer auf dem Hintergrund der irischen Geschichte zu lesen, der Kämpfe gegen die englische Vorherrschaft.
Elisabeth hatte einen Plan. Bei Tagesanbruch wollte sie zum Bahnhof von Eniskillen gehen und in einen Zug nach Belfast steigen. Von dort mit einem Paketboot nach Glasgow und anschließend mit dem Zug nach London fahren. Sie würde ihrem Geliebten Liam Ward »ihren Aufenthalt mitteilen. Dort würde er zu ihr stoßen, und sie würden ihr gemeinsames Leben beginnen«.
Das Ganze spielt sich, auf ebenso vertrackte, wie klare Weise, innerhalb eines Tages ab.
Elisabeth war 25 Jahre alt. Als sie zwölf war kam ihre Mutter Cathy bei einem Unfall ums Leben. Ein wildgewordener Bulle zerfleischte sie vor Elisabeths Augen. Die Ehe mit dem wohlhabenden Besitzer eines Steinbruchs, vieler Moore, Apfelplantagen, verpachtetem Land und einem großen Batzen Gold war von Anfang an schwierig gewesen. Cathy hatte zwar ein stattliches Erbe mit in die Ehe gebracht, aber war bereits bei der Hochzeit von einem anderen Mann schwanger. Wenn Beths Stiefvater Billy Winters getrunken hatte, schlug er gerne mal zu und begrapschte das Mädchen oder drohte ihr, sie zu enterben. Beths Leben, besonders seit dem Tod der Mutter, war hart. Sie führte einen großen Haushalt, bediente die Männer, die für den Vater arbeiteten und versorgte das Vieh. Kein Mann, der um sie warb, interessierte sie.
Bis sie eines Tages Liam Ward begegnete. McCabe siedelt dieses Drama in einer irischen Landschaft an, die in ihrer kargen, wilden Schönheit den Menschen, allen Widrigkeiten zum Trotz, etwas bietet, das sie nicht verlieren wollen. Diese Form der Heimatverbundenheit, die auch Beth geprägt hat, findet sich bis heute noch in der amerikanischen Countrymusic, die ihr irisches Erbe nicht verleugnen kann, wieder.
Beth ist auf eine zwiespältige Weise fasziniert von diesem Ward. Sie wusste nicht einmal, »ob sein Gesicht sanftmütig oder grausam, gerissen oder unschuldig oder eine Mischung aus alledem« war. Vielleicht war es sogar »die Torheit, das Risiko, was das Ganze so attraktiv machte«. Liam hat keinen guten Ruf. Er ist eine zwielichtige Gestalt. Manche bezeichnen ihn als »bösartige Ratte« und meinen, dass er vor nichts zurückschreckt. Ward verachtet »die verhasste Klasse der Gutsherren«, denn sie sind »in seinen Augen alle gleich … Verbrecher«. Immer wieder scheinen die Kämpfe der (meist katholischen) armen Iren gegen die englische Vorherrschaft durch. McCabe beschreibt hier auch die Geschichte der »Fenier-Gruppe«, einer Art Vorläufer der IRA.
Beths Traum von einem glücklichen Leben mit Liam erweist sich schnell als Alptraum.
Am Ende überstürzt sich die Handlung. Intrigen, Irrtümer und überraschende Wendungen bringen die Geschichte zu einem (fast) glücklichen Ausgang. Beth erweist sich als eine starke Frau, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz durchzusetzen vermag. Mehr wird nicht verraten.
Sigrid Lüdke-Haertel
Eugene McCabe: »Tod und Nachtigallen«, Roman, Steidl Verlag, Göttingen, 2021, 288 S., 16,80 €