»Der Pfau« von Lutz Heineking jr.

Vielleicht sind es die schottischen Highlands, die diesen Film vom dem Ruf befreien, deutsche Filmemacher könnten keine Komödien inszenieren? Oder sind es der auf Blau aggressiv reagierende Lieblngspfau von Lord McIntosh und die Lieblingsgans von Lady McIntosh, die auf ihrem etwas heruntergekommenen Landschloss für Aufregung sorgen? Auf jeden Fall löst sich die Frage, wer von den beiden gefiederten »Darstellern« denn nun im Kochtopf von Helen, der besten Köchin zwischen Köln-Nippes und Schottland, gelandet ist, erst zum Schluß auf.

Dazwischen jagen Regisseur Lutz Heineking jr. und seine Co-Drehbuchautoren Christoph Mathieu und Sönke Andresen ein hochkarätiges Ensemble durch einen amüsanten Tier-Krimi, in dem es zwar nur eine »Leiche« zu verdauen gibt – dafür aber jede Menge persönliche Befindlichkeiten und Ängste zutage treten.
Denn die Investmentbankerin Linda Bachmann (Lavinia Wilson) hat ihre vier Kollegen (David Kross, Jürgen Vogel, Tom Schilling, Serkan Kaya) zu einem Teambildungs-Seminar verdonnert. Unter der Leitung der Motivations-Psychologin Rebecca (Svenja Jung) soll die Gruppe lernen, respektvoll miteinander umzugehen, nicht übergriffig zu werden und konstruktiv gemeinsame Ziele anzugehen. Da aber über allem auch der Verdacht hängt, dass der angekündigte – aber nicht erschienene – Compliance-Manager Dr. Schulz evtl. das Team neu strukturieren will und somit Köpfe rollen werden, breitet sich schnell Argwohn aus.
Zudem kommen die fragwürdigen Methoden der jungen Seminarleiterin einigen wenig zielführend vor. Ein plötzlicher Wintereinbruch, der sie im Schloss »einsperrt«, tut ein Übriges, um die Stimmung auf den Gefrierpunkt sinken und die Emotionen hochkochen zu lassen.
Zum Glück hat der zugrunde liegende Bestseller-Roman von Isabel Bogdan mit der Rolle der handfesten, um keinen süffisant-bissigen Kommentar verlegenen Köchin, ein Korrektiv eingebaut, das die Geschichte nie in alberne Hektik oder überdrehte Selbstbespiegelung abdriften läßt. Was auch an der als Helen souverän aufspielenden Annette Fries und der präzisen Schauspielführung von Lutz Heineking jr. liegt. In die geschlossene Ensembleleistung fügen sich zudem die beiden britischen Protagonisten Victoria Carling und Philip Jackson (als Lady und Lord Macintosh) ein. Dass man ihnen ihre Sprache gelassenen und ihre Dialoge deutsch untertitelt hat, trägt nicht nur zur authentischen Atmosphäre des Films bei, sondern zeugt auch von einem tieferen Verständnis der Filmemacher für ihr Metier.
Lutz Heineking jr. hat sich bisher mit den preisgekrönten Comedy-Webserien (»World of Wolfram«, 2016), der Workplace-Sitcom »Das Institut – Oase des Scheiterns« (2017) und der Mokumentary »Andere Eltern« (2019–2020) einen Namen gemacht. Am Gelingen seines Leinwanddebüts haben die beiden Kameramänner Philipp Pfeiffer und Matthias Schellenberg einen großen Anteil. Denn sie nutzen geschickt die immer mehr in Filmen eingesetzte Drohnentechnik, um beobachtend über das Schloss zu fliegen und dann plötzlich herunterzustürzen und in jenem Zimmer zu landen, in dem gerade die Geschichte vorangetrieben wird. Das wirkt – auch durch die detailverliebte Ausstattung und Requisite von Debbie Holler, Volker von Reth, Ricci Becker und Jeantien Meijer – wie der Gang durch ein überdimensioniertes Puppenhaus, in dem man sich sofort heimisch fühlt. Und wenn man dieses am Ende gut unterhalten verlässt, wird man auch noch mit einer Überraschung verabschiedet.

Rolf-Ruediger Hamacher / Foto:  © Tobis/Frank Dicks
DER PFAU
von Lutz Heineking jr., D/B 2023, 106 Min.
mit Lavinia Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung
nach dem Roman von Isabel Bogdan
Krimikomödie
Start: 16.03.2023

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