Deutsches Filmmuseum: »Zusammen sammeln«

Lebendige Erinnerungen

Spätestens wenn ein Keller angemietet werden muss, um das angehäufte Material unterzubringen, stellt sich für den Sammler die Sinnfrage. Was soll das alles? Eine Frage, die nicht immer leicht zu beantworten ist. Jedenfalls nicht von dem Sammler selbst.

Das Deutsche Filmmuseum gibt mit seiner neuen Ausstellung »Zusammen sammeln« eine originelle Antwort: Veröffentliche deine Sammlung! Wenn das mehrere tun, kommt eine Sammlung der Sammlungen zustande, die viel interessanter ist, als man zunächst denken könnte. Der Untertitel »Wie wir uns an Filme erinnern« sagt es schon. Es geht darum, wie die Filme, die man gesehen hat, zu einem Teil der eigenen Biographie geworden sind. Es geht um die prägenden Eindrücke, die Filme und vor allem die in ihnen auftretenden Schauspieler hinterlassen haben. Es geht um die Beziehung der Zuschauer zu den Filmen, und die ist vielfältig und genauso faszinierend wie die Filme selbst.
Nach Informationen der Ausstellungsmacher um Kurator Wolfger Stumpfe nehmen 101 Sammler teil, die auf fünf »Collection Days« in Frankfurt, Kassel, Rüsselsheim, Darmstadt und Gießen sowie mittels Internet rekrutiert wurden. Ergänzt wurden deren Beiträge aus dem Archiv des Hauses, in dem sich mehrere Nachlässe befinden. So steht der mit sämtlichen Figuren bestückte Schachtisch von Curd Jürgens unweit von einem Kino-Notsitz (oft von Platzanweiserinnen genutzt), einem Kinostuhl und zwei prächtigen alten Wandleuchten aus einem längst nicht mehr existierenden Kinosaal. Die Ausstattung hat ein »Hobbysammler«, wie es so schön heißt, gerettet. Ob wohl heutige Einrichtungsgegenstände aus den Multiplexen in fünfzig Jahren in den dann noch existierenden Filmmuseen zu betrachten sein werden?
Als filmhistorische Raritäten sind Tonbilder von 1907/08 zu bewundern. In mühseliger Kleinarbeit wurden Stummfilmaufnahmen mit den zu ihnen gehörenden Schellackplatten gekoppelt, digital restauriert und so vor dem Vergessen bewahrt. Es sind Tonfilme vor der Entstehung des Tonfilms. Daneben erzählt ein Sammler seine eigene Geschichte. Einer von vielen, die in Videobeiträgen zu Wort kommen. Ein Stimmengewirr herrscht in den Räumen der Ausstellung, Erinnerungen werden lebendig.
Bis in die DVD-Zeit hinübergerettet haben sich Filmprogramme und Plakate als Sammelobjekte – ein besonders wertvolles ist das Plakat zu »BERLIN – DIE SINFONIE DER GROSSTADT«, das gemeinsam vom Deutschen Filminstitut in Frankfurt und der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin erworben wurde. Ein weiteres Thema ist die Filmmusik. Zu den Schallplattenhüllen, die nicht fehlen dürfen, gibt es auch einen akustischen Zusammenschnitt mit Erinnerungseffekt.
Einige Projektoren sind zu besichtigen (einer stammt aus einem Lufthansa-Flugzeug) und ein Kartenabroller, aus dem die kleinen bunten Eintrittskarten stammten, deren Schrift nicht – wie bei vielen heutigen Kinokarten – mit der Zeit verblichen ist. Neben diesem massiven Ausstellungsstück aus der Vor-Plastikzeit wird an eine Aktion von drei 17-jährigen Schulmädchen in Gießen erinnert. Sie beschwerten sich über das seichte Kinoprogramm und konnten tatsächlich bei einem Kinobesitzer die Reihe »Es gibt den guten Film« durchsetzen. Der wurde am letzten Donnerstag im Monat gezeigt – als am Freitag das Programmwechsel war. Am 25. Oktober 1973 gab es im Roxy in Gießen »Das Spiel ist aus«.
Anzumerken ist, dass in der Ausstellung auch zum weiteren Austausch unter Sammlern aufgefordert wird. Unter http://zusammen-sammeln.de können Erinnerungen geteilt und somit bewahrt werden.

Claus Wecker (Foto: © Deutsches Filminstitut)
Bis 16. Mai 2016: Di. bis So. 10 – 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr
http://deutsches-filminstitut.de/filmmuseum

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