Zum fünften Mal präsentiert das deutschlandweit einzigartige Filmfestival »Remake« eine sorgfältig kuratierte Auswahl aus wiederentdeckten Filmen von und über Frauen aus über hundert Jahren Filmgeschichte. Im Fokus steht diesmal der Dialog zwischen den Generationen.
»Wir mussten so viele Filme rausschmeißen, die uns auch am Herzen liegen«, seufzt Gaby Babić, die Leiterin des Remake-Festivals. Denn es gibt so vieles aus über 100 Jahren weiblicher Filmarbeit, das nur kurzzeitig oder nie einem größeren Publikum präsentiert wurde. Die Mission der Frankfurter Kinothek Asta Nielsen e.V. besteht darin, diese Werke wieder sichtbar machen. Seit 2018 richten die Mitarbeiter*innen dieses bundesweit einzigartigen Frauenfilmarchivs das Festival »Remake: Frankfurter Frauen* Film Tage« aus. Zum fünften Mal präsentiert »Remake«, seit 2019 als Biennale, vergessene Meisterwerke, wiederentdeckte Filmkunst und andere Trouvaillen, in emsiger Wühlarbeit in Archiven, Dachböden, via Internet und informellen Netzwerken aufgespürt.
Eine Lokalheldin, die »jeder Frankfurter kennen sollte« ist die Filmemacherin und Sinti-Bürgerrechtlerin Melanie Spitta (1946–2005). Zusammen mit Regisseurin Katrin Seyboldt drehte sie Dokumentarfilme. Der wichtigste unter den drei im Festival gezeigten Filme ist der neu restaurierte Dokumentarfilm »Das falsche Wort« (1987), in dem der nationalsozialistische Völkermord an den deutschen Sinti und die Ausgrenzungserfahrungen der Überlebenden in Nachkriegsdeutschland beleuchtet werden. Im Anschluss gibt es eine Gesprächsrunde mit Melanie Spittas Tochter Carmen, einer in Frankfurt lebenden Aktivistin, der Pädagogin Wanda Kreutz, und Petra Rosenberg, Vorsitzende der Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn (und außerdem Schwester von Sängerin Marianne Rosenberg).
Das Motto des diesjährigen Festivals lautet »Woher wir kommen, wohin wir gehen«. Gemeint ist die generationenübergreifende Filmarbeit von Frauen, darunter besonders in Mutter-Tochter-Beziehungen. Exemplarisch steht dafür die georgische Gogoberidze-Dynastie mit drei Generationen von Filmemacherinnen. Zu sehen ist u.a. der Dokumentarfilm »Mother and Daughter, Or The Night Is Never Complete« (2023), in dem sich Lana Gogoberidze zusammen mit Tochter Salomé Alexi mit Leben und Werk ihrer Mutter Nutsa, Georgiens erster Regisseurin, die zehn Jahre im Gulag inhaftiert war, beschäftigt.
Ein weiterer Themenschwerpunkt ist das im postsowjetischen Belarus 1991 von der Kamerafrau Tatjana Loginova gegründete Studio Tatjana, ein Künstler*innenkollektiv, das in Minsk das erste unabhängige Frauenfilmfestival veranstaltete. Das Studio wurde 2003 von Diktator Alexander Lukaschenko geschlossen. Unter der Filmauswahl sticht »Orange Westen« (1992), eine Bestandsaufnahme der »Stunde Null« der zerfallenden UdSSR, hervor. Die Dokumentation beleuchtet die Schwerstarbeit von Frauen vom Kreißsaal über die Fabrik bis zur Baumwollplantage, von Minsk bis Duschanbe. Auch hier wird das Gesehene vertieft durch eine Gesprächsrunde mit belorussischen Vertretern der Filmszene und Wegbegleitern.
Mit Gisela Tuchtenhagen, 1968 eine der ersten Studentinnen an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie, wird eine weitere Pionierin gewürdigt. Die Kamerafrau und Dokumentarfilmerin porträtierte in der Serie »Heimkinder« (1985/1986) straffällige Jugendliche. U.a. ist auch »Zuneigung«, ein von ihrer ehemaligen Schülerin Quinka Stöhr gedrehtes Porträt der Filmemacherin, im Remake-Programm, begleitet von einem Filmgespräch mit der 82jährigen Filmemacherin.
Mit »Remembering Together« wird filmisch an die Geschichte des Aids-Aktivismus der 80er und 90er Jahre erinnert. Zu Gast sind Zeitzeugen, Filmemacher und Aktive, etwa aus der Frankfurter AIDS-Hilfe. Etwas fürs Herz ist die Wiederaufführung des in 4K restaurierten lesbischen Kultfilms »Desert Hearts« (1985) von Donna Deitch. Zu den Highlights des rund 60 Kurz- und Langfilme umfassenden Programms zählt traditionell ein Stummfilm mit neu komponierter Live Musik. Diesmal ist es King Vidors Komödie »The Patsy/Ein Mädel mit Tempo« (1928) mit Hollywoodstar Marion Davies als fideler Heldin. Den Soundtrack steuern Saxophonistin Daphne Balvers und Pianistin Maud Nelissen bei. Nach der Festivalparty ist noch lange nicht Schluss. Bis März 2026 sind, Stichwort »Remake on Location«, weitere Filme des »Remake«-Programms zu sehen.
