»Eine Minute schweben« heißt eine Single der in Berlin und Stuttgart ansässigen Band Die Nerven. Ein raues, minimalistisches Stück Musik. Das Video zeigt dazu – grau in grau – kaum mehr, als die Band bei ihrem wilden, ekstatischen Spiel. »Alles wie gehabt, nichts hat sich verändert« heißt es im Refrain: Selten klang Musik aus Deutschland in den letzten Jahren so vollkommen illusionslos.
Ein anderes Video, »Barfuß durch die Scherben«, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Auch hier präsentiert sich die 2010 gegründete Band alles andere als glamourös. »Die Nerven« ist ein großartiger Name für das, was wir hier sehen – sonderbar, dass vorher niemand auf die Idee gekommen ist, eine Band so zu nennen.
Indie-Rock, Post-Punk, Noise-Rock – zwischen diesen Koordinaten musizieren Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn. Ihre erste Platte »Fluidum« erschien auf dem formidablen kleinen Label »This Charming Man«. Schon dieses erste Album wurde hochgelobt – im Video »Angst« war die Band Tocotronic als Die Nerven zu sehen – mit einem Gastauftritt der echten »Nerven« im Publikum. 2014 erschien ihr Werk »Fun«, dann das dritte Album »Out« – und schließlich »Fake«.
Eine Band, mit der Die Nerven eng befreundet sind, ist Messer aus Münster. Deren Sänger Hendrik Otremba hat die neue Welle illusionsbefreiter Punkmusik in Deutschland einmal so beschrieben: »Ich glaube, dass viele Musiker nicht mehr so Bock auf Happy Indie haben, so voller Grinsen und Hedonismus.«
Und so schroff wie intuitiv, aber auch geschichtsbewusst klingt diese Musik auch. Bands wie die Fehlfarben oder EA80, die Wipers oder Sonic Youth, Bands aus den 80er Jahren sind die Großväter dieses zornigen und gleichzeitig kalten Sounds, von diesen Texten, die von Machtlosigkeit und Ausweglosigkeit einer ganzen Generation berichten. Inzwischen wächst das Werk von Die Nerven aus dem rein Musikalischen hinaus: 2016 schrieben sie die Musik zu dem Theaterstück »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969«.
Ganz neu erschienen ist soeben ihr fünftes Album, das sie schlicht »Die Nerven« genannt haben. Es ist ihr wichtigstes Album, sagen Kevin Kuhn (Schlagzeug), Julian Knoth (Bass und Gesang) und Max Rieger (Gitarre und Gesang). Warum das so wichtig ist, wird man nach diesem Abend im Schlachthof sicher begriffen haben: ein kritischer Blick auf die Welt wie sie ist, ein großes, schallendes Nein zur Fake-Gegenwart.