Diese Stimme muss gehört werden: »Silence Radio« von Juliana Fanjul

Ein Dokumentarfilm mit einer sympathischen Hauptfigur kann kaum misslingen. Also hat die in der Schweiz lebende Exilmexikanerin Juliana Fanjul alles richtig gemacht. Ihre Dokumentation »Silence Radio« dreht sich um eine ebenso mutige wie charmante Journalistin, die unermüdlich gegen eine korrupte Medien- und Politikszene in Mexiko kämpft. Der englische Titel (ursprünglich »Radio Silence«) dieser schweizerisch-mexikanischen Coproduktion sollte wohl die Chancen auf dem internationalen Filmmarkt erhöhen.

Und um ein international wichtiges Thema handelt es sich bei dem Fall der Journalistin und Radiomoderatorin Carmen Aristegui ganz bestimmt. Wie in Russland, weiteren Staaten der ehemaligen Sowjetunion und sogar im EU-Staat Malta müssen auch in Mexiko investigative Journalisten um ihr Leben fürchten, wenn sie als Bedrohung der Mächtigen angesehen werden.

Hierzulande überraschen dürfte allerdings das Mexiko-Bild, das der Film zeichnet. Ja, dass der Norden, an der Grenze zu den USA, eine Todeszone ist, wissen wir bereits aus Drogen-Schmuggel-Thrillern à la »Sicario«. Dass aber Mexiko insgesamt sich ziemlich weit von einem geordenten Staatswesen entfernt hat, ist den meisten von uns weniger bewusst. In der Tagesschau war der mexikanische Präsident als eher sympathischer Gegenpart zum ungeliebten Präsidenten Trump zu sehen.

Doch das viele Geld, das in Mexiko durch den Drogenhandel verdient wird, wirkt wie ein Virus in Politik und Medien. Da kommt eine mutige Frau wie Carmen Aristegui mit ihrem Team in Radio und TV äußerst ungelegen. Denn sie deckt auf, dass Präsident Enrique Peña Nieto seine Jura-Examensarbeit zu großen Teilen abgeschrieben hat (kommt uns irgendwie bekannt vor), dass seine Luxusvilla letztendlich mit Drogengeld gebaut wurde und dass auch die Medienwelt korrupt ist.

Als sie im März 2015 mit ihrem Team vom MVS-Sender entlassen wurde, brach ein Proteststurm los. Mehr als 200.000 Menschen forderten in einer Petiton die Rücknahme der Kündigung. In einem Land, in dem Menschen verschwinden, von denen später nur noch Überreste gefunden werden, und Leichen an Brückengeländern hängen, wird in Massendemonstrationen nach Gerechtigkeit gerufen. Hier sind wütende Menschen unterwegs, die auf ihr Land wieder uneingeschränkt stolz sein möchten.

Ohne nachzulassen kämpft Aristegui gegen die Missstände, fliegt nach Washington, um internationale Unterstützung zu bekommen, genießt das Bad in der Menge der Sympathisanten, gibt den Bitten um Selfies nach, ohne zu murren. Man muss sie einfach mögen.

Die Übermacht der Gegenseite ist so groß, dass man manchmal den Atem anhält. Ein nächtlicher Einbruch in ihr unabhängiges Internet-Studio lässt Schlimmes befürchten. Es bleibt aber im Fall der international geehrten Kämpferin für die Pressefreiheit bei Drohungen.

Der optimistisch gestimmten Filmemacherin ging es vor allem um Hoffnung, und so kommt es in ihrem Teil der Geschichte noch einmal zu einem guten Ende. Für wie lange?

Claus Wecker

SILENCE RADIO
von Juliana Fanjul, Schweiz/Mexiko 2019, 78 Min.
Dokumentarfilm

 

Ab Do., 15.04.2021 über die teilnehmenden Kinos von Cinemalovers, bei kino-on-demand.com, auf der hauseigenen Plattform des Kinos Mal Sehn‘ in Frankfurt und beim Indiekino Club in Berlin.

Premieren-Filmgespräch mit Regisseurin Juliana Fanjul und Protagonistin Carmen Aristegui am 15.04. (20.30h – 21.30h) per Live-Stream über Cinemalovers und die YouTube Kanäle vom Deutschen Filmmuseum und jip film & verleih.

Fragen können vorab gemailt werden an info@jip-film.de, am Premierenabend in die YouTube Chats gestellt werden oder per Whatsapp oder SMS geschickt werden an 0176 59 20 70 61.

 

 

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