Die Pressefotos täuschen nicht. Wie ein Genregemälde oder auch ein Film aus den Fiftys mutet das naturalistische Bühnenbild für »Invisible Hand« von Ayad Akhtar im English Theatre an. In sepiafarbenen Grau- und Brauntönen sehen wir die in bröckelndem Putz gekleideten Wände des pakistanischen Verlieses, in dem der Broker Nick Bright von einer muslimischen Terrorgruppe als Geisel gehalten wird. Im Rückraum oben ein orientalisches Spitzfenster, unten eine Pritsche, ein Tisch, zwei Stühle. Selbst die Figuren wirken wie gemalt.
Erzählt wird in dem ab 2012 mehrfach überarbeiteten Stück des pakistanisch-stämmigen US-Autors, von dem hier schon »Disgraced« zu sehen war, die Geschichte eines in Pakistan irrtümlich entführten Bankers, der die überzogene Summe, die man für seine Freilassung will, durch sein Know-how im Derivate-Geschäft selbst zu generieren verspricht. Und den man deshalb gewähren lässt. Dieser Nick zockt um sein Leben, ist darin aber nicht minder religiös wie seine islamischen Kidnapper, die er alle infizieren wird. Allerdings nicht mit der Lehre von der alles lenkenden Unsichtbaren Hand des Marktes von Adam Smith, den Marx den Luther des Kapitalismus nannte, sondern mit Gier und Begehrlichkeit: den naiven Wärter Dar, den in London radikalisierten Bashir, der sich nun für die erlittenen Demütigungen rächen will, aber auch Nicks Know-how aneignen soll, und dessen religiösen Ziehvater Imam Saleem.
Es passiert zwar einiges (eine Scheinhinrichtung, ein Fluchtversuch, eine Erschießung), doch es wird auch viel geredet. Und das nicht nur über Futures und Börsenspekulation oder geostrategische Interessen der Großmächte und Ausbeutung der Dritten Welt, auch über Glaube, Macht und Moral. In einem Englisch übrigens, das durch das Fachvokabular und die diversen Dialekte der Akteure – gute Idee! – nicht einfacher wird. Dass Bahir sich mit dem Wärter auf Broken English unterhält, übergehen wir mal dabei.
Seine Spannung gewinnt der filmisch geschneiderter Krimi aus der spürbaren Gefährdung seines um das nackte Leben bangenden Protagonisten. Seinen Gehalt bezieht er aus den hintergründigen mit vielen feinen Spitzen durchwirkten Dialogen, die Nick vor allem mit seinem »Schüler« Bahir führt, und die beide mit den Grenzen und Konsequenzen ihrer Weltsichten konfrontieren.
Die Koproduktion des English Theatre mit der kalifornischen Ensemble Theatre Company of Santa Barbara bringt unter der Regie von Jonathan Fox ein toll eingespieltes US-amerikanisches Ensemble an den Main, in dem John Tufts in der Rolle des Nick eindrucksvoll dessen emotionalen Sturz aus der Höhe des überlegenen Nerd (»Sie brauchen mich.«) in die verzweifelte Ohnmacht eines Ausgelieferten zeichnet. Mindestens auf Augenhöhe mit ihm sehen wir Jameal Alis nicht minder smarten Bahir. Von starker Präsenz ist auch Mujahid Abdul-Rashid am Ende bigotter Imam Saleem, und sehr glaubhaft gespielt wird das schlichte Gemüt Dar von Sarang Shamar bei seinem Bühnendebüt. Trotz eines vielleicht befreienden, aber nicht ganz befriedigenden Schlusses: American ready made theatre at it’s best.