Vergeblichkeit der Mühen
Ambitioniert waren sie schon immer, die Macher des Frankfurter Autoren Theaters (FAT) im Hinterhof der ehemaligen Hausener Brotfabrik. Die meist politischen, oft polarisierenden Stoffe aus der Feder des Theatergründers Wolfgang Spielvogel waren nie leichte Kost: wie man sich die steilen Stufen ins dunkle Einraumtheater hinaufarbeiten muss, so schwer beladen verlässt man häufig die Vorstellungen.
Und leichte Kost versprechen auch die neuen Mitglieder des FAT um Adrian Scherchel nicht. Ulrich Meckler, nach einer beeindruckenden Jaroslav Hašek-Adaption »Welt Krieg Schwejk« (ganz in die Nähe des tragischen Woyzeck gerückt), hat sich nun gänzlich aus dem FAT gelöst, um mit »Theater Prozess« weitere eigene Projekte auf die Bühne zu bringen.
Im größeren Gallus Theater erinnert er mit »Untergänge. Kassandra« im Rahmen der Festivitäten 25 Jahre deutsche Wiedervereinigung montage-artig an vielfältige (gescheiterte) Versuche, bis zur sog. Wende 1989 ein neues, anderes Nachkriegsdeutschland zu formen. Er greift dabei weit zurück in die gedanklichen Kisten von Stalinismus, Sozialismus DDR´scher Prägung (…auferstanden aus Ruinen…), Studenten- und Anitkriegsbewegung oder die erste Ökologiebewegung. Ja, sogar noch weiter zurück: die mythische Kassandra war‘s, die all das Unheil unserer Tage bereits voraussah, die »zerstörerische Gewalt des globalisierten Kapitalismus« inklusive. Untergänge eben.
Ulrich Mecklers Klagegesänge gerieren sich auf diese Weise durchaus im Duktus des antiken Theaters. Kassandras Weissagungen im Kontext von Zitaten, Lebensläufen und Texten der Gegenwart führen (so empfindet dies der kritisierende Philister) so vielleicht zurück in die Wortgewalt einer modernen, nicht nur griechischen Tragödie, die ohne Ende ist. Wir lernen es gerade wieder neu (oder auch nicht). Ob da Heiner Müller oder Einar Schleef Pate gestanden haben?
Nach der Premiere, die am 24.9. gelaufen ist, schrieb Frau von Sternburg in der FR von der möglicherweise »sprödesten Reisen in die Vergangenheit aus Anlass der 25-Jahr-Feiern zur Einheit«, auch von »herüberwehender Erinnerung an die Vergeblichkeit und Mühen« jener Nachkriegsjahre. Dabei ist der, sicherlich für die Bühne kaum adäquat umsetzbare Text, mehr noch illusions- und schonungslose Betrachtung einer Gegenwart, die aus der Vergangenheit wenig gelernt hat. An die Zukunft mag man/frau nicht denken – Untergänge? Eben.
Wer Ulrich Mecklers Kassandra-Rufen dennoch folgen möchte (es sei empfohlen!), kann dies noch vom 18. bis 21. November tun, jeweils 20 Uhr im Gallus Theater.