Im Jahr 2002 haben sich die Düsseldorfer Fehlfarben wiedervereinigt. Jene Band, die 22 Jahre zuvor das Album veröffentlicht hatte, das vielen bis heute als das wichtigste der achtziger Jahre gilt: »Monarchie und Alltag« nannten sie ihr Debüt. Ein paradoxer Titel für ein durch und durch ironisches, spöttisches und visionäres Werk der Popmusik, über das noch Dekaden später viel gesprochen wird. »Gegen Götter habe ich nichts«, sagt Jochen Distelmeyer, der frühere Sänger der Band Blumfeld, über die Düsseldorfer – und zählt Platten wie »Monarchie und Alltag« oder »33 Tage in Ketten« von 1981 zu seinen wichtigsten Einflüssen.
Seit 2002 haben die Fehlfarben einige hervorragende Alben aufgenommen, »Knieftief im Dispo«, »Handbuch der Welt«, »Glücksmaschinen« und »Xenophonie«: Werke, die dem Hörer die Wut der älteren Männer ziemlich direkt injizieren. 2022 ist – wieder bei Tapete Records – ein neues Opus erschienen, das den Titel »?0??« trägt: das zwölfte Album der Band, ein weiterer Meilenstein auf einer musikalischen Reise, welche mit »Monarchie und Alltag« 1980 begann.
Auch dieses ist wieder ein Album über Ängste und Widersprüche in unserer Gesellschaft, das man den nachgewachsenen Jung-Sänger*innen aus Deutschland unter ihre weichen Befindlichkeits-Pop-Kissen legen sollte, denn beispielhaft wird hier vorgeführt: Lust an der Sprache, frischer Intellekt, scharfer Sarkasmus, Ironie, das Wissen um die Schönheit des rauen Glanzes, das Wissen vor allem, dass politische Themen im Pop weniger als Manifest überzeugen, denn als Poesie – als subjektiver, persönlicher Widerspruch.
Das Werk der Fehlfarben ist in diesen Tagen tatsächlich ein Leuchtturm in einer ziemlich düsteren Nacht. Da, wo Pop heute oft kaum mehr Gefühle aufkommen lässt, als ein schwächlich-affirmatives »I like«, da setzen die Fehlfarben weiter auf Widerborstigkeit. Das ist Musik, die in ihrer Dringlichkeit besticht, in ihrer Ernsthaftigkeit – und vor allem in ihrer Fähigkeit, die Grenzen zwischen dem »Ich« und dem »Wir«, zwischen dem Persönlichen und dem Politischen durchlässiger zu machen. Gegen Götter haben wir nichts – also alle nach Rüsselsheim ins Rind!