Gabrielle Hamiltons Lebensgeschichte einer Köchin

Gabrielle HamiltonFrau am Herd

Sie hat einen »bip«, keine Macke, sondern in den Restaurantführern des Guide Michelin, nach den berühmten Sternen, eine Auszeichnung: gute Küche zu vernünftigen Preisen. Das »Prune«, im East Village von Manhattan, gilt als »erstaunliches« Restaurant. Noch erstaunlicher ist ihr »Leben ohne Rezept«, ein – wie die New York Times richtig sagt – »brillantes Buch über die Magie der Kindheit und die Liebe zum Essen«.

Ein weiter Weg vom Traum zur Wirklichkeit. Gabrielle Hamilton ist diesen Weg gegangen, mit enormem Ehrgeiz, Opfern und einem dicken Fell. Mit nur fünfunddreißig ist sie Chefköchin in ihrem eigenen Restaurant. Schon ihre Kindheit war ungewöhnlich. Als Jüngste von fünf Kindern wächst sie frei, fast wild in einem ziemlich heruntergekommenen, aber schloßähnlichen Anwesen, umgeben von viel Natur, an der amerikanischen Ostküste auf. Die Künstler-Eltern sind großzügige Gastgeber. Die Mutter, Französin und leidenschaftliche Köchin. Gabrielle wird früh selbständig und abgehärtet. Hier entwickelt sie Stärke und Durchsetzungsvermögen.

Völlig überraschend für sie, trennen sich die Eltern, als sie zwölf ist. Die Mutter zieht in den Norden »um sich selbst zu verwirklichen«, der Vater ist zu beschäftigt, um sich um sie zu kümmern. Sie fängt an zu klauen. »Wenn so etwas heute passierte, würde man die Behörden informieren. Aber nicht 1979 in unserer kleinen harmlosen Stadt.«

Mit dreizehn macht sie niedere Hilfsarbeiten in einem Restaurant, mit fünfzehn darf sie schon »am Herd Tortillas braten«, mit siebzehn, inzwischen Kellnerin in einem Nachtclub, wird sie wegen Unterschlagung rausgeworfen. Mit allen Mitteln, viel Koks, wenig Schlaf und einem eisernen Willen wird sie Chefin im Business Catering, dem »Maschinenraum der Gastronomie« und verdient endlich eine Menge Geld. Über zehn Jahre hält sie durch, bis zu dem Tag, an dem sie bei einer Konferenz von Schriftstellerinnen zweihundert verpackte Mittagessen – Ziegenröllchen und Rucolapesto – serviert. Viel lieber hätte sie »bei den bekannten Autoren gesessen«, statt das »Selbstbedienungsbüfett aufzubauen« und dann zu verschwinden. Spontan hängt sie die Küchenschürze an den Nagel und studiert »Fiction Writing«. Doch bald wird ihr klar, »das akademische Leben lag mir nicht«.

Sie reist durch Europa, guckt in alle Kochtöpfe, ist begeistert von anderen Gerüchen, Gewürzen und Gemüsesorten und hat immer nur das eine Ziel vor Augen. Jetzt hat sie, Mitte vierzig, ein inzwischen sehr gut gehendes Restaurant, einen komplizierten italienischen Arzt als Mann, zwei kleine Kinder und einige Lebenserfahrung. Und sie hat einen Bestseller geschrieben. Voller Witz, Humor und Selbsterkenntnis. »Ich zertrümmere lieber die Möbel, gehe dem Scheißkerl (gemeint ist ihr Mann) an die Kehle, schleudere ihm Beschimpfungen entgegen und erzähle die übertriebene Geschichte mit mir selbst als unschuldigem Opfer.« So etwas liest man zwar nicht alle Tage, aber gerne.

Sigrid Lüdke-Haertel

Gabrielle Hamilton: Blood, Bones & Butter. Mein Leben ohne Rezept.Gabrielle Hamilton: Blood, Bones & Butter. Mein Leben ohne Rezept.
Aus dem Englischen von Heike Schlatterer.
Blessing Verlag, München 2012, 400 S., 14,95 €

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