Mirga Gražinyte-Tyla gehört zu den Senkrechtstartern in einer Männerdomäne. Über Graz, Bologna, Paris, Zürich und Los Angeles kam 2016 die damals 26-jährige Lettin mit dem unaussprechlichen Namen als Nachfolgerin von Andris Nelsons an das renommierte City of Birmingham Symphony Orchestra. Ihre Lehrer waren u.a. Herbert Blomstedt und David Zinman. Beste Voraussetzungen also für Mirga, wie sie kurzerhand in Birmingham genannt wird, ihre programmatischen Ideen umzusetzen. Diegerade 34-Jährige bringt mit »ihrem« Orchester die 6. Sinfonie von Anton Bruckner in die Alte Oper, seine »keckste«, wie dieser meinte. Sie hatte es schwer, im Repertoire der Konzerthäuser anzukommen, wurde mehrfach »revidiert« oder »retuschiert« – wohl nicht immer im Sinne des vergrübelten Meisters.
Vorher steht mit dem 3. Klavierkonzert ein Werk des Ungarn Béla Bartók auf dem Programm, das in seinem Todesjahr nicht mehr ganz vollendet werden konnte und insofern auch eine »Nachbearbeitung« erfahren hat, hier durch seinen Schüler Tibor Serly. Ein ungewohnt abgeklärtes, lyrisches Opus, das durch ein Adagio religioso noch einen Abschiedscharakter erhält. Der wunderbare polnische Pianist Piotr Anderszewski wird dem späten Bartók gebührend nachspüren.