Im Kellertheater läuft nun auch die Erfolgskomödie »Der Vorname«

Belesen in die Katastrophe

Er habe eine gute und eine schlechte Nachricht zu dem mit seiner Partnerin Anna erwarteten Kind, sagt Vincent in der ersten Szene. Die gute: Es ist ein Junge. Und die schlechte? Das Kind ist tot. Großer Schreck bei der fassungslosen Schwester Elisabeth. Dann: War doch nur ein Scherz. So ist er, der Vincent. Immobilienmakler, auf hemdsärmelige Weise schlagfertig witzig, aber doch auch Banause.  
Vincents grobschlächtiger Humor scheint auch seine nächste Auskunft zu prägen, mit der er die auf Anna wartende kleine Abendgesellschaft in der Wohnung von Schwager Pierre schockiert. Er lässt die Gastgeber, Literaturprof und Französischlehrerin, und ihren Freund Claude, Orchesterposaunist, in der mit Bildungsutensilien zugestellten Wohnung raten, wie der untote Ungeborene heißen soll und gibt als Hilfe ein A vor. Als Anna endlich kommt, hat Vincent sein Spiel um »Adolphe« längst auf die Spitze getrieben, ohne es freilich aufzulösen. Und so den Boden bereitet, auf dem die scharfzüngige Konversation zu einem Streit eskaliert, der sich nicht einmal mehr auf Verbalinjurien beschränkt.
Was man des lieben Frieden willens bisher lieber für sich behält, kommt nun auf den Tisch, und ebenfalls manches Geheimnis. Man kennt sich schließlich mehr als gut in dieser Runde und weiß, wo es den anderen schmerzt. Mit der Etikette kracht auch die Fassade gelebter Liberalität in sich zusammen. Was eben noch als Flämmchen an der Eitelkeit seines Gegenübers züngelt, setzt nun ein akademisches Milieu in Brand, das sich vor allem in Selbstgefälligkeit suhlt – und in dieses Urteil auch das Publikum einbezieht. Auch darum ist »Der Vorname« im Vergleich zum artverwandten »Gott des Gemetzels« das anspruchsvollere Stück.
Letzteres lässt sich nun sogar vor Ort  überprüfen, wo die Premiere der 2010 uraufgeführten Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière knapp zwei Monate auf die von Rezas Polanski-Vorlage (Strandgut 11/2015) folgt. Inszeniert ist »Der Vorname« von Karsten Kosciesza und Stephan Thoss auf einer von Büchern beherrschten Bühne. Auffällig sind in der zweistündigen pausenlosen Aufführung die Männerrollen besetzt. Der von Co-Regisseur Thoss ein wenig ungelenk und schlaksig dargestellte Literaturprof Pierre sowie sein von Daniel Hoppe gedrungenes Energiebündel Vincent erinnern in der Erscheinung an Jake und Elliott Blues, während Steffen Ludwigs mit einer orange leuchtenden Fliege seinem Claude eine eher pennälerhafte Gestalt verleiht, die auf unvermutete Weise in das Zentrum des Konflikts gerät. Gegen diese männliche Präsenz haben es Jana Hingsts Küchenemanze Elisabeth (trotz ihres kecken Befreiungsschlags gegen den Gatten) und Silke Frankenhausers Anna schwer, sich zu behaupten. Letztere lässt auch mit rollenden Wetterau-Rs im Dunklen, was sie an Vincent  bindet. Umgekehrt verstehen wir das schon. Mit Verve gespielt gelingt dem Ensemble zur Premiere ein kurzweiliger, noch nicht ganz perfekter Abend, der mit wachsender Routine seine Balance finden wird.

Winnie Geipert (Foto: © Anja Kühn)
Termine: 25., 26. März, 20.30 h
www.kellertheater-frankfurt.de

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