Im Nebel (Start: 15.11.2012)

Nicht gerade ein Heldenepos

»Im Nebel« von Sergei Loznitsa

Der pessimistische Blick auf die Welt ist im heutigen Kino selten geworden. Der in der Ukraine geborene und in Berlin lebende Sergei Loznitsa gehört zu den wenigen Regisseuren, die ihr Publikum nicht in Watte packen oder um jeden Preis unterhalten wollen. Seine Filme sind sperrig, sie bleiben deshalb auch lange im Gedächtnis.

In »Mein Glück«, seinem Spielfilmdebüt, zeigte er ein Rußland, in dem jeder nur seinen Vorteil suchte, auch mit brachialer Gewalt: korrupte Polizisten, die ihre Macht mißbrauchten, oder Landstreicher, die ihr Opfer einfach umbrachten und dann ausraubten.

Wenn also Loznitsa einen Film über russische Partisanen im Zweiten Weltkrieg gedreht hat, erwartet man ganz gewiß kein Heldenepos – und wird auch nicht enttäuscht. »Im Nebel« handelt von einem Sabotageakt in einer sowjetischen Provinz im Zweiten Weltkrieg. Die verdächtigten Gleisarbeiter werden am Anfang des Films zur Hinrichtungsstätte geführt. Man sieht Frauen, die um Gnade flehen, und deutsche Soldaten, die sie zurückhalten. Die Hinrichtung selbst sieht man nicht. Muß man auch nicht, es ist eindeutig, was passiert.

Ein weiterer Komplize der Saboteure, Sushenya, ist von den deutschen Besatzern freigelassen worden. Er hat die Kollaboration verweigert.

Seine bedingungslose Freilassung bedeutet für ihn aber das Todesurteil, denn die Partisanen werden nicht glauben, daß er standhaft geblieben ist. Sushenya ergibt sich in sein Schicksal, läßt sich von Burov, einem langjährigen Freund, und dessen Kameraden Voitik abholen. Wohin sollte er fliehen, und wäre eine Flucht nicht auch ein Schuldgeständnis? Die drei laufen durch den Wald, sie suchen eine geeignete Stelle für Sushenyas Grab. Doch dann wird Burov angeschossen, Voitik, der Wache schieben sollte, schlägt sich erst einmal durch die Büsche. Als die Deutschen wieder verschwunden sind, finden die drei zusammen. Jetzt trägt Sushenya den schwerverletzten Burov, der ihn noch vor kurzem erschießen wollte, und er erzählt, was sich damals bei den Deutschen zugetragen hat und wie der Sabotageakt geschah, bei dem er nicht mitmachen wollte, weil er Vergeltungsmaßnahmen an den Dorfbewohnern befürchtete. »Da wohnen doch nur ein paar alte Frauen«, hat einer der Streckenarbeiter gesagt. »Und sind das keine Menschen?« hat Sushenya entgegnet.

Er ist die gute Seele in diesem Film, die gute Seele in einer schlechten Welt. Glück hat er, als seine Exekution verhindert wird, und auch danach. Aber irgendwann droht er zu resignieren. Mit ruhigen Bildern erzählt Loznitsa von seinem traurigen »Helden«. Keine Anklage, keine Schuldzuweisung. In Cannes gab es dafür den Preis der internationalen Filmkritik.

Claus Wecker

 

IM NEBEL (V tumane)
von Sergei Loznitsa, D/WRUS/RUS 2012, 127 Min.
mit Vladimir Svirski, Vlad Abashin, Sergei Kolesov, Nikita Peremotovs, Julia Peresild, Kirill Petrov
Kriegsdrama
Start: 15.11.2012

 

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