Mehr als 40 Jahre und bis zu seinem Tode 1982 hat der große Maler der Neuen Sachlichkeit Christian Schad in beziehungsweise bei Aschaffenburg gelebt und gearbeitet. Jetzt eröffnete die Stadt das weltweit erste seinem Schaffen gewidmete Museum. Geboren ist der Künstler 1894 im bayerischen Miesbach, wahlbeheimatet war der von reichen Eltern stets versorgte Künstler nach einigen odysseischen Jahren in Genf, Rom, Neapel, Wien und München aber von 1927 an in Berlin. Ein vorgetäuschtes Herzleiden hat ihn von der Teilnahme am 1. Weltkrieg bewahrt, in den zu ziehen er wohl anders als viele Art-Genossen, wenig erpicht gewesen sein muss. Nach Versuchen in den angesagten künstlerischen Ismen der Zeit entwickelte Schad schließlich im Hotspot der Roaring Twenties auch seine eigene künstlerische Handschrift, vorwiegend mit Porträts von Menschen aus den Submilieus der Metropole.
Die berühmtesten dieser den Stil der Neuen Sachlichkeit begründenden Arbeiten hängen nicht in Aschaffenburg, sondern in aller Welt: wie »Maika« (1929) im Guggenheim Bilbao, wie »Sonja« (1929) in der Nationalgalerie in Berlin. In Aschaffenburg besticht unter anderem die »Mexikanerin« (1930) durch völlig emotionslose Geradlinigkeit.
Die Anerkennung der Kunstszene seiner Zeit fand Schad damit nicht, die floss ihm erst in den Sechzigern zu. Gleichwohl waren seine Bilder en vogue. Insbesondere, so zeigt die Schau, begehrten die Frauen- und Modezeitschriften seine Porträts für ihre Titelseiten: Mehr als ein Dutzend in Holz getäfelte Porträts hängen im Museum aus. Diese Kunst hat Schad in den Jahren des Nationalsozialismus ernährt und dann 1942 den schicksalsweisenden Auftrag nach Aschaffenburg eingebracht. Freiherr und Freifrau von Gorup von Besánez hatten Schads Porträt der Ufa-Ikone Kristina Söderbaum gesehen und wollten auch so gemalt werden. Ein Engagement mit Folgen und vielen Folgeaufträgen der Aschaffenburger Oberschicht, aber auch dem üppig dotierten vom NS-Oberbürgermeister, der ein Kopie von Grünewalds »Stuppacher Madonna« fertigen ließ. All dies band Schad umso mehr an die Stadt, als sein Berliner Atelier 1943 den Bomben zum Opfer fiel. Schads zwischen 1943 und 1947 gefertigte Kopie kann in der Stiftskirche besichtigt werden.
Die Frage, wie es Christian Schad mit dem Nationalsozialismus hielt, drängt sich dabei wie von selber auf und wird auch akribisch behandelt im neuen Haus. »Eine Schlagzeile wie ›Alt-Nazi erhält Museum in Aschaffenburg‹ wollten wir auf keinen Fall riskieren«, betont der Museumdirektor. Trotz solcher Arbeiten wie die Zeichnung »Liebende Knaben« (1929), die freilich keine Käufer fand, und anderer malerischer Einblicke in gesellschaftliche Randzonen, dürfte der Realismus seiner Bilder den ohnehin kaum als bedeutend erachteten Maler vor der Einreihung unter die Entarteten bewahrt haben. Festzuhalten aber ist, dass Schad noch vor dem großen Aufnahmestopp am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP wird und sich mehrmals, wenn auch nur anfangs erfolgreich, bemühte, an Ausstellungen teilzunehmen. Öfter übrigens, als das nach dem Krieg behördlich als »Mitläufer« eingestufte NSDAP-Mitglied später zu erinnern bereit war.
Tatsächlich scheint die viele seiner Porträtfiguren auszeichnende Kälte und Gefühllosigkeit dem ehemaligen Szene-Dandy der Hauptstadt selbst zu eigen und er im Wesentlichen immer darauf aus gewesen zu sein, seiner Kunst nachzugehen. Weder Porträts von Nazigrößen noch ideologische Motive sind von ihm aus jener im künstlerischen Abseits verbrachten Zeit bekannt.
Das Museum folgt dem Schaffen und Leben Schads chronologisch über drei Stockwerke auf 650 Quadratmeter. Mit über 200 von 3.300 verfügbaren Werken Schads zeichnet das Haus das Bild eines künstlerischen Einzelgängers. Während der Zugang auf zeitgeschichtlichen Fotografien und Aushängen viel über seine Herkunft, seine Jugend und seinen episodenreichen Werdegang verrät, folgen die oberen Geschosse des Hauses seiner meisterlichen Kunst über alle Schaffensperioden hinweg. Bewegende Porträts aus einer Klinik für Geisteskranke (»Im Irrgarten«, 1918), Gemälde seiner ersten Frau Marcella Arcangeli (1923), von Papst Pius (1925), die in der dadaistischen Phase entwickelten »Schadographien« (1923) können ebenso bestaunt werden wie die gigantische Tanne vor seinem Elternhaus auf »Hochwald« (1936), der esoterisch bewältigte Übergang in die Nachkriegszeit und vor allem die Wiederentdeckung der Neuen Sachlichkeit in den Sechzigern. Jedes Bild, jeder Abschnitt ist umrahmt mit fein dokumentierten Geschichten und Episoden. Nah bringen sie uns diesen Unnahbaren nicht, aber doch eben näher. Ganz zentral – und immerschön – im abschließenden Teil die Schauspielerin und spätere Gattin Bettina Mittelstaedt, die ihm von 1942 an tals Modell und Managerin begleitete. Vor allem ihrem Engagement und ihren Entscheidungen verdankt das wunderbare Museum seine Existenz.
Das Christian-Schad-Museum ist das bereits achte Museum der Stadt und in unmittelbarer Nachbarschaft der Kunsthalle im historischen Jesuitenkolleg untergebracht.
Lorenz Gatt / Foto: Bettina Mittelstaedt, © MSA/Otschik
Christian Schad Museum: Di., 10–21 Uhr; Mi.–So., 10–18 Uhr
www.museen-aschaffenburg.de