Von Coming-of-Age spricht zumindest in der Bunderepublik Deutschland noch niemand, als Françoise Sagan im Jahr 1954 mit »Bonjour Tristesse« ihr Romandebüt bestreitet. Das Sensationelle des unverschämt freizügigen Buches damals aber ist, dass seine Verfasserin selbst erst 18 Jahre alt ist und mit ihm ein völlig neues Bild der Jugend im Frankreich der Fünfziger zeichnet. Zumindest des wohlbehüteten Teils derselben. James-Dean-Feeling ist auch dabei, und ein Hauch von Charlotte Roche.
Daniela Vollhardts Inszenierung im Frankfurter Kellertheater folgt der erst vor drei Jahren uraufgeführten Bühnenfassung von Ulrich Waller. Die hell angestrahlte Bühne (Seyfettin Yildiz, Attila Kelemen, Alex Ortner) zeigt die mehrstufige Terrasse einer Urlaubsvilla im Sonnenlicht der Côte d’Azur. Als Kulisse dient die Bildprojektion eines abstrakten Gemäldes, später lassen dort Großaufnahmen die mediterrane Küste und eine Lichterstadt erscheinen. Wie auf einem Schlitten sitzend, aneinander gelehnt, blicken Vater Raymond (Sven Kube) und Tochter Cécile (Vanessa Schäfer) ins Blaue, derweil Papas aktuelle Beziehung Elsa (Vera Niessner) im schattigen Abseits den Titelsong von Juliette Greco aus dem 1958 entstandenen Film singt. Da ist die Vater-Tochter-Welt noch in Ordnung.
Der Auftakt der im Ich-Modus der Heranwachsenden präsentierten Geschichte wird exakt auch ihr Ende sein. Alles, was dazwischen passiert, löst der Besuch von Anne (Bettina Sachs) aus, der erfolgreichen Modedesignerin und Freundin von Céciles verstorbener Mutter. Für diese Alphafrau gibt Raymond Freundin Elsa auf, stellt vor allem aber die bisher alles dominierende Nähe zu seiner Tochter in Frage. Als er auch noch Annes Vorschlag gutheißt, dass Cécile mit ihrem Ami Cyril (Christian Brost) Schluss machen und zurück ins Pensionat soll, schmiedet die Verratene ihre perfiden Rachepläne und die Intrige nimmt ihren tödlichen Verlauf.
Durch die nachdenklichen Erzählpassagen Céciles verbunden, flößt das flüssige Spiel des Ensembles diesem Melodram Schwung und Leben ein. Dass dabei offen bleibt, was den robusten Charme von Bettina Sachs‘ Business-Anne so anziehend macht für den doch arg selbstgefälligen Frauenheld und was die gestandene Frau so blind sein lässt, ist wohl nur mit »c’est la vie« zu beantworten. Sven Kube schickt Raymond als psychotischen Wackelpeter in seine emotionale Schlitterpartie, während Vanessa Schäfers »böse Pariserin« Cécile als heimliche Regisseurin des Eifersuchts-Showdowns sich gekonnt vom kessen Spatz zur arglistigen Ränkeschmiedin wandelt und vor allem als Erzählerin überzeugt. Ein Farbtupfer ist nicht nur ihrer Garderobe wegen Vera Niessners mehr erwachsen verspielt als blond agierende Elsa. Wenn sie am Ende wieder singend die Tristesse begrüßt und der Vater mit seiner Tochter im Löffelsitz in die Ferne schaut, ist es ein wenig, als habe man einen schönen alten Film gesehen.